Der Mathematiker Leo Koenigsberger berichtet im Kapitel Berlin 1857-64 seiner Autobiographie Mein Leben über Paul du Bois-Reymond:
Ganz anders der in seiner äußern Erscheinung ein wenig schwerfällige, jeglicher Art geistigen und materiellen Genusses zugängliche Paul du-Bois-Reymond, der Bruder des berühmten Berliner Physiologen Emil du-Bois-Reymond, welcher die geistige Superiorität seines Bruders auf dem Gebiete der Mathematik nicht nur sondern auch auf dem der Philosophie stets und gern anerkannte. Ein feinsinniger Kenner der Kunst, eine durch und durch philosophisch angelegte Natur machte er sogleich die Grundprinzipien der Integralrechnung zum Gegenstand seiner Forschungen, und war später, nachdem er sich bisweilen zu einem Mystizismus in der Betrachtung rein mathematischer Materien hatte hinreißen lassen, einer der ersten Anhänger und Fürsprecher der die neue Mathematik beherschenden philosophischen Anschauungen von Georg Cantor. Auch er war seiner ganzen Natur nach, ebenso wie Natani und Weingarten, zum Erzieher der Schuljugend nicht geschaffen, gelangte aber erst spät zu einer ihn befriedigenden akademischen Stellung; ich fand ihn im Jahre 69 in der Stellung eines außerordentlichen Professors in Heidelberg wieder.
Arbeiten über partielle Differentialgleichungen.
Ausgehend von der Theorie der partiellen Differentialgleichungen (anknüpfend an G. MONGES „Charakteristiken“), wandte sich D. Ende der sechziger Jahre den dafür wichtigen Theorien der Fourier-Reihen und der reellen Funktionen zu. 1874 bewies er in Verallgemeinerung eines Resultats von G. CANTOR, daß eine trigonometrische Reihe, die überall gegen eine nach B. RIEMANN integrierbare Funktion konvergiert, mit der Fourier-Reihe dieser Funktion übereinstimmt. 1876 wies D. die Existenz von stetigen Funktionen nach, deren Fourier-Reihe auf einer im Definitionsbereich überall dichten Menge divergiert.
Wesentliches Hilfsmittel seiner Arbeiten in der Fourier-Analysis war für D. der sog. 2. Mittelwertsatz der Integralrechnung, den er bereits 1864 bewiesen hatte. Ein weiteres Hilfsmittel war der von ihm entwickelte sogenannte Infinitärkalkül, der auch Anwendung in der Theorie der Singularitäten analytischer Funktionen gefunden hat. Besonders bekannt wurde eine Veröffentlichung D.s von 1875, in der er ein ihm von K. WEIERSTRASS, seinem langjährigen Korrespondenten, mitgeteiltes Beispiel einer stetigen, nirgends differenzierbaren Funktion einer reellen Variablen publizierte.
Poggendorff, Dictionary of Scientific Biography — Reinhard Siegmund-Schultze
1865-1870 Phil. Fak.
Mathematik
* | 2. Dez. 1831 Berlin |
† | 7. Apr. 1899 [i.e. 1889] Freiburg/Br. (ref.) |
V | Felix-Harry Du B. (1782-1864) Uhrmacher, später Direktor der Kunstkammer in Berlin s. NDB 4 (1959) S. 146 |
M | Wilhelmine Henry (1789-1865) |
Vw | Bruder: Emil Heinrich Du B. (1818-1896) Prof. für Medizin Berlin s. NDB 4 (1959) S. 146-149; Bf. UBH |
23. Sept. 1876 Henriette Massute (1842-1909) | |
K | 1 S |
Lb 1849 Stud. der Medizin Zürich, dann Stud. der Mathematik Königsberg, Berlin; 1859 Dr. phil. Berlin; 1861-1865 Lehrer u.a. am Friedrich-Werderschen Gymnasium Berlin; 3. Mai 1865 Habilitation H; 16. Sept. 1868 a.o. Prof. H; 31. Dez. 1869 zum SS 1870 o. Prof. Freiburg/Br.; 20. Jan. 1874 o. Prof. Tübingen; WS 1884/85 o. Prof. TH Berlin
E 1874 Mitgl. der Akad. der Wiss. München
Qu UAH A-219/PA; UAH Fak.-Akte H-IV-102/64
W Eine neue Theorie der Convergenz und Divergenz von Reihen
mit positiven Gliedern in: Journal für die reine und angewandte
Mathematik 76 (1873) S. 61-91. - Allgemeine Funktionstheorie
[i.e. Functionentheorie].
Tübingen 1882. - Über lineare partielle Differentialgleichungen
2. Ordnung in: ebd. 104 (1889) S. 241-301. - Über die Grundlagen der
Erkenntnis in den exacten Wissenschaften. Tübingen 1890.
L NDB 4 (1959) S. 148 (mit Werkverz.)
P Über die Grundlagen der Erkenntnis ...
Paul du Bois-Reymond aus Wikipedia,
der freien Enzyklopädie
Biographie vom St. Andrews Archiv
Die Entwicklung des Faches Mathematik an der Universität Heidelberg 1835-1914 von Günter Kern. Kap. IV.5: Paul Du Bois-Reymond
Paul DuBois-Reymonds Lebenslauf aus der Dissertation (lat./dt.)
The Mathematics Genealogy Project
Julius Bernstein
In:
Naturwissenschaftliche Rundschau. - 4 (1889),
S. 247-248
Leopold Kronecker
In:
Journal für die reine und angewandte Mathematik. - 104
(1889), S. 352-354
Heinrich Weber
In: Mathematische Annalen. - 35 (1890), S. 457-469
Mit Publikationsliste
Bild aus dem Universitätsarchiv Heidelberg
1865 wurde er Privatdozent, 1868 ao. Professor in Heidelberg. 1870 ging er als o. Professor nach Freiburg i. Br.
Dictionary of Scientific Biography. - New York
Vol. 4 (1971), S. 205-207
LSN B-AE 014
Du Bois-Reymond then became a professor of mathematics and physics at a secondary school in Berlin and continued to devote himself systematically to mathematics until his appointment at the University of Heidelberg in 1865. In 1870 he went from Heidelberg to Freiburg as a professor.
Weber, Heinrich: Paul du Bois-Reymond
In: Mathematische Annalen. - 35 (1890), S. 457-469
Mit Publikationsliste
digitalisierte Fassung (Göttinger Digitalisierungszentrum)
UB-Signatur: L 7::35.1890
Göttinger Digitalisierungs-Zentrum / Beiträge von Paul du Bois-Reymond
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften / Digitale Bibliothek
Anfrage an Zentralblatt MATH zum Autor Bois-Reymond, P* oder zum Titel Paul Bois-Reymond.
Publikationsliste ( S. 463-469) aus
Weber, H.: Paul du Bois-Reymond
In: Mathematische Annalen. - 35 (1890), S. 463-469
digitalisierte Fassung (Göttinger Digitalisierungszentrum)
UB-Signatur: L 7::35.1890
Letzte Änderung: März 2024 Gabriele Dörflinger
Kontakt
Version 29. Mai 2016 archiviert am
Heidelberger Dokumentenserver
Zur Inhaltsübersicht Mathematik Homo Heidelbergensis