Paul du Bois-Reymond †.
Im Verkehr mit seinem Bruder, dem Physiologen E. du Bois-Reymond und dessen Freunden Brücke, Helmholtz, Ludwig und Anderen, wendete sich Paul du Bois-Reymond frühzeitig experimentellen Studien zu. Nachdem er im Jahre 1854 eine Broschüre „Untersuchungen über die Flüssigkeiten u.s.w.“ veröffentlicht hatte, vervollständigte er die darin begonnenen Beobachtungen durch Versuche, die in Poggendorff's Annalen 1858 beschrieben sind. Diese Arbeit lehrte neue und interessante Erscheinungen kennen, welche bei der Ausbreitung von Flüssingkeiten auf Flüssigkeiten entstehen. Anknüpfend an die besänftigende Wirkung des Oels auf eine stürmisch bewegte Wasserfläche, beobachtete der Verfasser eine eigenthümliche Flüssigkeitsbewegung, welche eintritt, wenn man auf eine dünne, auf Wasser schwimmende Oelschicht einen Tropfen Alkohol bringt. Während sich der Alkohol unter Bildung einer Vertiefung auf das Oel ausbreitet, erhebt sich darunter das Wasser in einer Beule gegen die Oberfläche hin. Hieran schlossen sich eine Anzahl ähnlicher Beobachtungen, sowie die Untersuchung einer stationären Ausbreitung, die durch einen continuirlichen Strom einer Flüssigkeit erzeugt wird. Nachdem in den Arbeiten von Mensbrugghe und Lüdtge der Begriff der „Oberflächenspannung“ zur Aufstellung einer Theorie dieser Vorgänge benutzt war, unterwarf Paul du Bois-Reymond dieselbe einer mathematischen Kritik, verblieb aber, wie schon früher, bei der Ueberzeugung, dass die beobachteten mechanischen Effecte auf die Existenz einer in dünnen Schichten gewisser Flüssigkeiten auftretenden Repulsionskraft beruhen (Pogg. Annal. 1869).
Die mathematischen Schriften von Paul du Bois-Reymond sind: „Beiträge zur Interpretation der partiellen Differentialgleichungen mit drei Variabeln“, 1864. „Neue Lehrsätze über die Summen unendlicher Reihen“, 1870. „Ueber die Fourier'schen Darstellungsformeln“, 1876. „Zur Geschichte der trigonometrischen Reihen“, 1880. Von seinem letzten Buche „die allgemeine Functionstheorie“, 1882 (Tübingen) ist nur der erste Band erschienen, enthaltend Metaphysik und Theorie der mathematischen Grundbegriffe. In diesem weit angelegten Werke zeigt der Verfasser, dass in seinem reich begabten Geiste neben dem rein formalen mathematischen Denken ein offener Sinn für alles Geschehen im weiten Reiche der Natur und in den Grenzen des menschlichen Daseins herrschte. Aus den letzten Jahren stammt eine in diesem Blatte veröffentlichte Mittheilung desselben: „Ueber die Unbegreiflichkeit der Fernkraft“ (Rdsch. III, 169). Neben Denen, welche mit dem Verstorbenen wissenschaftlich und persönlich in Verkehr getreten sind, betrauert auch unsere Zeitschrift in ihm einen wohlwollenden Freund.
Quelle:
Naturwissenschaftliche Rundschau.
Bd. 4 (1889), S. 247-248
Verfasser:
Julius Bernstein (18.12.1839 Berlin - 6.2.1917 Halle/Saale) war Professor der Physiologie
an der Universität Halle.
Letzte Änderung: 24.03.2024 Gabriele Dörflinger
Kontakt
Zur Inhaltsübersicht
Historia Mathematica
Homo Heidelbergensis