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Sofja Kowalewskaja

S. Kowalewskaja (Quelle unbekannt)

Bismarckplatz — Stadthalle

Der Mathematiker Leo Koenigsberger berichtete im Kapitel Heidelberg 1869-75 seiner Autobiographie Mein Leben über die erste Begegnung mit S. Kowalewskaja:

Von großem Interesse war für mich, wie für die ganze naturwissenschaftliche Fakultät Heidelbergs das Erscheinen der Frau v. Kowalevsky unter den Studierenden unserer Hochschule. Als ich mich eines Tages im Direktorzimmer des mathematischen Instituts befand in Gesellschaft des Physikers Tyndall und des Geometers Hirst, die einigen meiner Vorlesungen beiwohnen wollten, trat eine junge, äußerst anmutige Dame ein wenig schüchtern in das Zimmer, stellte sich mir als Frau Sophie v. Kowalevsky vor und bat mich um die Erlaubnis, meine Vorlesungen hören zu dürfen. Damals war ein solches Gesuch ein unerhörtes novum; auf meine Frage, ob sie denn schon Mathematik getrieben habe, orientierte sie mich ein wenig über ihre Privatstudien. Als ich nun einen Augenblick unschlüssig dastand, da ich nicht wußte, wie Fakultät und Senat über diese Frage denken würden, nahm mich Tyndall, ein Freund weiblicher Schönheit, bei Seite, und meinte, über meinen philiströsen Rigorismus spottend, „wie kann man denn einer so schönen Dame etwas abschlagen wollen?“ Dies genügte mir momentan, um ihr die erbetene Erlaubnis zu erteilen.
Bei Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870 verließ S. Kowalewskaja Heidelberg und ging nach Berlin. Carl Weierstraß versuchte für sie die Erlaubnis zu erwirken, an der Berliner Universität wie in Heidelberg Vorlesungen zu hören.

Leider waren die Bemühungen Weierstraß' vergeblich. Er erteilte ihr dann drei Jahre Privatunterricht. Im Sommer 1874 kontaktierte er seinen ehemaligen Schüler Lazarus Fuchs, der zu dieser Zeit Professor in Göttingen war, um S. Kowalewskaja eine Promotion in absentia zu ermöglichen.

S. Kowalewskaja kehrte nach Russland zurück, um wieder mit ihrem Mann zusammenzuleben; 1878 wurde ihre Tochter geboren. Die Ehe scheiterte 1881 endgültig und sie verließ Russland. Ende 1883 erhielt sie durch die Vermittlung von Gösta Mittag-Leffler in Stockholm eine Privatdozentur, die 1884 in einen Lehrstuhl umgewandelt wurde.

Am 10. Februar 1891 starb sie mit 41 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung.


Letzte Änderung: Oktober 2017     Gabriele Dörflinger   Kontakt

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