von Franz von Kobell
Aus: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München, mathematisch-physikalische Klasse. - 5 (1875), S. 130-132
L. Otto Hesse begann seine mathematischen Studien an der Hochschule zu Königsberg unter den berühmten Meistern Bessel und Jakoby [Carl Gustav Jacob Jacobi], und an derselben Schule entwickelte er seine Lehrthätigkeit als ausserordentlicher Professor von 1840 - 1856. Im J. 1857 wurde er als ordentlicher Professor der Mathematik nach Halle and fast gleichzeitig nach Heidelberg berufen, wo er bis 1868 mit immer steigendem Erfolg docirte und zahlreiche Schüler in seinem Auditorium versammelte. Im Herbst 1868 folgte er einem Rufe an das Polytechnicum in München. —
Die fruchtbarste Zeit, seiner wissenschaftlichen Arbeiten war die Königsberger-Periode, wo er eine Reihe von Abhandlungen schrieb, welche in Crell-Borchard's Journal für Mathematik [Journal für die reine und angewandte Mathematik] publicirt sind. Sie beziehen sich vorzüglich auf die Theorie der linearen Substitutionen und Determinanten und auf das damit zusammenhängende Gebiet der Geometrie. Man hat ihm zu Ehren einer der Grössenverbindnngen, welche Determinanten genannt werden, die Bezeichnung „Hessische Determinante“ gegeben. Viele seiner Arbeiten beschäftigen sich mit den Eigenschaften verschiedener Curven, ihren Beziehungen zu den Kegelschnitten ihren Wendepunkten u. a. — Die Vorlesungen über analytische Geometrie des Raumes, welche er in Königsberg, Halle und Heidelberg gehalten, hat er 1861 und in zweiter Auflage 1869 herausgegeben; seine Vorlesungen aus der analytischen Geometrie, der geraden Linie, des Punktes und des Kreises erschienen 1865. Weiter publicirte er 1866 „Vier Vorlesungen aus der analytischen Geometrie“ und 1871 eine Abhandlung über die Determinanten.
Das mathematische Denken bewegt sich auf so abstracten Gebieten*), dass die Befähigung dazu ein Talent voraussetzt, welches für höhere Aufgaben verhältnissmässig nur Wenigen verliehen. Hesse besass dieses Talent und wusste es für vorgebildete Schüler geltend zu machen, daher er auch deren Liebe und Verehrung genoss. Sein letzter Wunsch war „Ich will in dem Blumengarten meines Heidelberg ruhen, zu Grabe geleitet von Schülern“. — (Vergl. einen Nachruf in Borchard's Journal für die reine und angewandte Mathematik. B. 79. H. 4. p. 345.)
Anmerkung:
*) „Ich bin auf Wort, Sprache und
Bild im eigentlichsten
Sinne angewiesen, schrieb Göthe an
K. Naumann, und völlig
unfähig, durch Zeichen und Zahlen,
mit welchen sich höchst begabte
Geister leicht verständigen, auf irgend eine Weise zu operiren.“
— In
ähnlicher Weise hörte ich einmal Berzelius sich äussern.
Kll.
Letzte Änderung: 28.05.2013 Gabriele Dörflinger Kontakt
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