35.   Neckarschule

Alte Brücke und Neckarschule

Karlsplatz — Univ.-Platz

Gleich neben dem Brückentor befand sich seit 1425 die städtische Lateinschule. Die 1693 zerstörte Schule wurde 1706 als Studienhaus der Reformierten wieder aufgebaut aber 1803/05 wegen schlechter Disziplin vom Kirchenrat geschlossen.

Danach diente das Haus als Wohnhaus. Hier finden wir den Universitätszeichenlehrer Friedrich Rottmann (1758-1816), Vater des Malers Karl Rottmann.

Lit.: MÜLLER Nr. 75, S. 71; STADT, S. 394f


Von 1855 bis 1859 wohnte hier der badische Politiker Julius Jolly (1823-1891), Bruder des Physikers und Mathematikers Philipp Jolly, der ebenfalls in Heidelberg lehrte. Julius Jolly hatte sich nach seinem Jurastudium 1847 in Heidelberg habilitiert. Im Mai 1857 wurde er zum a.o. Prof. ernannt. Er verließ Heidelberg, als er 1861 in den badischen Staatsdienst nach Karlsruhe berufen wurde; 1868 wurde er Präsident des Karlsruher Staatsministerium.

Jolly trat für die Trennung von Staat und Kirche ein und war Protagonist des Badischen Kulturkampfes. Er erreichte 1869 die Einführung der Zivilehe und 1876 die Einführung der Simultanschule als Regelschule — fakultativ konnten bereits ab 1868 Simultanschulen eingerichtet werden — an Stelle der konfessionsgebundenen Schule. Letzteres Projekt stieß auf vielfältigen Widerstand. Jolly bat um seine Entlassung als Ministerpräsident, die ihm gewährt wurde; anschließend wurde er zum Präsidenten der Oberrechnungskammer ernannt.


Robert W. Bunsen konnte Jolly nicht ausstehen, er schrieb Leo Koenigsberger am 18. September 1875 nach Dresden:

Hier hat sich in den Verhältnissen äußerlich und innerlich nichts geändert, nur daß man in Carlsruhe nachgerade etwas kopfscheu geworden zu sein scheint. Ich bin sogar letzthin durch einen Besuch Jolly's in Erstaunen gesetzt worden, der aber bei der eisigen höflichen Kälte von meiner Seite sehr kurz und ohne jede Explikation verlief. Er wird wohl mit der Ueberzeugung von dannen gegangen sein, daß ich weder ihn gebrauche noch von ihm gebraucht sein will. Die Schöpfungen Jolly-Treitschke beginnen ihre Früchte zu tragen: Erdmannsdörffer{[}durchgestrichen{]} (Der Historiker Bernhard Erdmannsdörffer (1831-1901) lehrte ab 1874 in Heidelberg.) entpuppt sich immer mehr als eine völlige Null; er leidet, wie Gaß (Wilhelm Gaß (1813-1889) lehrte ab 1868 in Heidelberg Kirchengeschichte, Symbolik, Dogmatik und Ethik.), in der Fakultät und auf dem Katheder an allgemeiner Verquatschelung und ist in den von Häusser meist vor Hunderten von Zuhörern gehaltenen Hauptvorlesungen bereits bis auf ein Auditorium von 6 bis 8 Zuhörern herabgekommen.

Quelle: UB Heidelberg, Heid. Hs. 2741


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