Hochverehrter Herr Kollege !Wir kommen mit der Bitte, Ihnen in dieser festlichen Stunde die herzlichsten Glückwünsche der Heidelberger Akademie darbringen zu dürfen. Diese Akademie, deren jungem, entwicklungsfreudigem und hilfsbedürftigem Dasein Sie den Ruhm Ihres Namens gewährt und den Ernst und Eifer Ihrer Arbeit erfolgreich gespendet haben — sie möchte mit dem Ausdruck ihres Dankes, ihrer Verehrung, ihrer Bewunderung nicht fehlen, wenn sich zum fünfzigsten Male der Tag jährt, an dem Sie die erste wissenschaftliche Ehre erworben haben. Von da bis heute, welch ein halbes Jahrhundert von Arbeit und Erfolg — welch ein reicher, stetig aufsteigender Weg von Leistung zu Leistung! Zahllose Hochschuljünger haben lauschend unter Ihrem Katheder gesessen, haben an Ihrem Seminartisch denken und arbeiten gelernt, sind durch die Feuerprobe Ihres Examens gegangen. Solch eine gewaltige Lehrwirkung ist in einer Wissenschaft wie der Mathematik nur möglich auf dem Grunde gewaltiger Forschung; und diese Forschung wieder ist immer nur groß-, wenn sie das besondere Gebiet im Zusammenhange des Ganzen behandelt. Das haben Sie uns, denen bei den Problemen der Funktionentheorie der Atem ausgeht, durch Ihre Helmholtzbiographie bewiesen, — dies monumentale Werk, worin reiche Gelehrtenarbeit und wissenschaftlich kritisches Denken die klaren und deutlichen Formen gezeichnet, Liebe und Pietät die warmen, lebendigen Farben gegeben haben; — ein Monument für eine der großen Gestalten im wissenschaftlichen Leben des 19. Jahrhunderts — ein Monument für eine große Zeit Heidelbergs — ein Monument unserer Geistesgeschichte überhaupt. Wie es nur möglich war für den, der weit über sein Fach hinaus seine eigene Zeit im innersten miterlebt. Daß Sie, von solchem Geiste erfüllt, in der Universalität des intellektuellen Interesses leben, das habe ich erfahren dürfen, als ich zum ersten Male das Glück hatte, persönlich mit Ihnen zusammenzutreffen, in Friedrichsruh am 1. April 1895, jenem unvergeßlichen Tage der Huldigung der deutschen Universitäten vor dem Heros des neuen Deutschlands. Derselben Universalität des intellektuellen Interesses bringen wir heute unsern dankbaren Gruß dar. Denn sie war es, welche Sie zum Akademiker kennzeichnete; aus diesem Geiste heraus haben Sie den Gedanken unserer Akademie in sich gehegt und, als ihm spät und unerwartet glückliche Erfüllung wurde, ins Leben gerufen. Wir haben froh es miterleben dürfen, wie es über Sie kam als neue Jugend, dieses Lebendwerden eines neuen wissenschaftlichen Instituts, und dies spricht uns für die glückliche Zukunft, für Ihr rüstiges Weiterwirken, für die Erfüllung der aufrichtigen Wünsche, mit denen auch wir diesen Ihren Ehrentag als den unseren begehen.
Herr KOENIGSBERGER antwortete:
Verehrter Herr Sekretär, verehrte Herren Kollegen !Nicht nur eine sittlich gute Tat schafft fortdauernd Gutes und Schönes, sondern auch der Wille zu einer solchen Tat ist eine geistige Realität, die stets Gutes erzeugt und dann doch sehr bald in die physische Wirklichkeit tritt. So waren auch einzelne von uns nur das unbewußte Werkzeug eines Geistes, der stets nur das Gute wollte, unseres unvergeßlichen Großherzogs Friedrich I., der 25 Jahre zuvor das erstrebte, was uns erst später durch die Liberalität der hochherzigen Familie LANZ ermöglicht wurde.
Es ist gerade in diesen Tagen ein Jahr, daß wir, meine verehrten Herren Kollegen, die Begründung der Akademie in die Hand nahmen, und Ihre hingebende und selbstlose Arbeit war es, welche es ihr ermöglichte, schon nach wenigen Monaten in eine rege wissenschaftliche Tätigkeit einzutreten. Ich selbst war nur Ihr Organ, welches als Vorsitzender Sekretär das auszuführen hatte, was Sie beschlossen haben — also nicht mein, sondern Ihr Verdienst ist es, daß man schon jetzt mit Achtung auch außerhalb von der Heidelberger Akademie der Wissenschaft zu sprechen sich gewöhnt hat.
Ich hätte Ihre warmen Glückwünsche; zu meinem 50jährigen Doktorjubiläum vielleicht befangeneren Herzens entgegengenommen, wenn ich der; erste gewesen wäre, dem diese Ehre und Freude zugedacht war — nachdem ich aber selbst bereits vor einigen Monaten die Glückwünsche der Akademie einem ausgezeichneten Mitgliede derselben zu überbringen hatte, darf ich mich freuen, daß der usus in unserer Körperschaft diesmal mich getroffen und die Glückwünsche der Akademie zu meiner Freude und Ehre mir gelten. Nehmen Sie für Ihr freundliches Entgegenkommen herzlichen Dank.
Hierauf sprach Herr BÜTSCHLI namens der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse:
Hochgeehrter Herr Sekretär, verehrtester Herr Kollege !Gestatten Sie auch mir, daß ich, im Anschlusse an die Worte des Herrn geschäftsführenden Sekretärs, Ihnen noch besonders ausspreche, welch aufrichtige Teilnahme die mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse unserer Akademie an Ihrem heutigen. Jubeltage nimmt, an dem Sie vor 50 Jahren die erste akademische Würde errangen und damit in die Reihe der Akademiker eintraten.
Die mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse schuldet Ihnen den aufrichtigsten Dank für die große Mühe und Arbeit, welche Sie, neben Ihrer sonstigen glänzenden wissenschaftlichen Tätigkeit, nicht scheuten, um das Gedeihen und die Interessen unserer Klasse in hervorragendster Weise zu fördern. Mit dem Gefühle dieses herzlichsten Dankes verbinden wir den innigen Wunsch, daß es uns vergönnt sein möge, uns Ihrer unschätzbaren Leitung noch recht lange zu erfreuen, zum Wohle unserer Klasse wie der gesamten Akademie. In diesem Sinne, hochverehrter Herr Sekretär, überbringe ich Ihnen die herzlichsten Glückwünsche der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse.
Herr KOENIGSBERGER erwiderte:
Daß Sie, verehrter Herr Kollege, mich noch einer besonderen Ansprache würdigen werden, konnte ich nicht erwarten — was das für mich bedeutet, weiß ich in vollem Maße zu würdigen. Als wir die Akademie begründeten, waren wir nicht ohne Sorge, ob gerade unsere berühmtesten Kollegen, die wie Sie Mitglieder so vieler Akademien sind, unsere Schöpfung gutheißen und dieser ihr Interesse zuwenden würden. Daß dies geschehen, ist uns Freude und Ehre, und daß dies nicht leere Worte von meiner Seite sind, werden Sie mir glauben, der Sie mich seit so vielen Jahren kennen. Also nochmals herzlichen Dank.Quelle: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Jahresheft Juni 1909 bis Juni 1910, S. LVIII - LX
Letzte Änderung: 13.07.2011 Gabriele Dörflinger Kontakt
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