Max Planck:
Helmholtz und Kirchhoff als akademische Lehrer

S. 9 aus:

Planck, Max: Wissenschaftliche Selbstbiographie : mit Dokumenten zu ihrer Entstehungsgeschichte (1943-1948) / ausgew. u. erl. von Wieland Berg. - Halle, Saale : Dt. Akad. d. Naturforscher Leopoldina, 1990. - 40 S. : Ill. - (Acta historica Leopoldina ; 19)

Signatur UB Heidelberg: 91 W 30


Nach Absolvierung des Gymnaiums bezog ich die Universität, zuerst drei Jahre in München, dann noch ein Jahr in Berlin. Ich hörte Experimentalphysik und Mathematik; Lehrstühle für theoretische Physik gab es damals noch nicht. In München waren meine Lehrer der Physiker Ph. von Jolly und die Mathematiker Ludwig Seidel und Gustav Bauer. Bei allen dreien habe ich viel gelernt und bewahre ihnen ein ehrendes Andenken. Daß sie aber in wissenschaftlicher Beziehung doch eigentlich nur lokale Bedeutung besaßen, merkte ich erst in Berlin, wo sich unter den Auspizien von Hermann von Helmholtz und Gustav Kirchhoff, deren bahnbrechende, in der ganzen Welt Beachtung findende Arbeiten ihren Schülern leicht zugänglich waren, mein wissenschaftlicher Horizont sich beträchtlich erweiterte. Allerdings muß ich gestehen, daß mir die Vorlesungen keinen merklichen Gewinn brachten. Helmholtz hatte sich offenbar nie richtig vorbereitet, er sprach immer nur stockend, wobei er in einem kleinen Notizbuch sich die nötigen Daten heraussuchte, außerdem verrechnete er sich beständig an der Tafel, und wir hatten das Gefühl, daß er sich selber bei diesem Vortrag mindestens ebenso langweilte wie wir. Die Folge war, daß die Hörer nach und nach wegblieben; schließlich waren es nur noch drei, mich und meinen Freund, den späteren Astronomen Rudolf Lehmann-Filhés, eingerechnet.

Im Gegensatz dazu trug Kirchhoff ein sorgfältig ausgearbeites Kollegheft vor, in dem jeder Satz wohl erwogen an seiner richtigen Stelle stand. Kein Wort zu wenig, kein Wort zu viel. Aber das Ganze wirkte wie auswendig gelernt, trocken und eintönig. Wir bewunderten den Redner, aber nicht das, was er sagte.


Anmerkung: Max Planck studierte im WS 1877/78 und im SS 1878 in Berlin.


Redaktion:   Gabriele Dörflinger

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