Die ältesten Monographien (im Orient).
Mischnat ha-Middot, die erste geometrische Schrift in hebräischer Sprache nebst Epilog der Geometrie von Abraham bar Chijja.[4] Zum siebenzigsten Geburtstage des Meisters Zunz (10. August 1864) aus Handschriften in München und Rom herausgegeben von M. Steinschneider. Berlin, A. Ascher & Comp. 1864. (10 S. hebr., VI S. deutsch.)
Später erschien dieselbe Schrift, mit vollständiger deutscher, von Noten begleiteter Übersetzung eines Fachmannes, in den Supplem. der hist. lit. Abtheilung der Zeitschr. für Mathem. (1880); hier genügt ein abgekürzter Titel:
Mischnat ha-Middoth . . . ins Deutsche übersetzt, erläutert und mit einem Vorwort versehen von Hermann Schapira. (54 + 4 S., teils arabisch, teils hebr.)[5]
Zur Bedeutung dieses Schriftchens und zur Beurteilung der sich daran knüpfenden Controverse zwischen den beiden Herausgebern werden einige Bemerkungen nötig sein.
Mischna (Deuterosis) bezeichnet insbesondere die Bestandteile des sogenannten »mündlichen Gesetzes«, wovon es in den ersten Jahrhunderten verschiedene, wahrscheinlich nur mündlich tradirte Redactionen gab. Die, späterhin schriftlich fixirte Redaction des Jehuda ha-Nasi (spät im II. Jahrhund, nach Chr.) wurde gewissermassen kanonisch, und die, von ihm nicht aufgenommenen Bestandteile, nannte man »Baraita« (externe), welche Benennung wir bei dem zunächst zu besprechenden Werkchen finden werden.
Eine Schrift, welche sich »Mischna« nennt, prätendirt ein hohes Alter, nicht aber die Autorschaft Jehuda's. Von der »Echtheit« dieser Schrift kann also gar nicht die Rede sein.
Wie das Schriftchen uns vorliegt, gehört es direct in die Mathematik, wenn auch wenige Male auf biblische Stellen Bezug genommen ist. Es scheint aber auch eine Recension davon, oder ein ähnlich betiteltes Schriftchen existirt zu haben, worin die Beziehung zur Bibel stärker hervortrat, so dass man es als einen Midrasch (Homilie oder Exegese) bezeichnete. Die entsprechenden Citate, welche man in der Ausgabe vermisst, berechtigen uns jedoch nicht zu einem Schlusse über die Priorität der umfangreicheren Schrift, ja nicht einmal zur Bezeichnung der Ausgabe als unvollständig.[6] Man citirt vielfach eine »Baraita der 49 Maasse«; unsere Ausgabe theilt sich in 5 Kapitel mit zusammen 42 Lehrsätzen; doch kennen wir nicht das Alter dieser Einteilung.
Herr Schapira (S. 10) legt für die schwierige Altersfrage des Büchleins einen Wert auf den »leibhaftigen Stil« der Mischna, richtiger der talmudischen Phraseologie; aber eine solche ist noch heute teilweise im Gebrauch, und ein anderer wissenschaftlicher arabistischer entwickelte sich erst in Süd-Osteuropa im XIII. Jahrhundert durch die Übersetzer. Hingegen erkannte er auffallende Ähnlichkeit mit der Geometrie des bekannten Muhammed b. Musa al-Khowarezmi, woraus er Parallelen mitteilt. Für mich ist die technische Bezeichnung des Sinus versus durch »Pfeil« noch jetzt genügend, um den Einfluss arabischer Literatur zu erkennen.[7]
Als Curiosum erwähne ich hier gelegentlich, dass ein Autor des XIV. Jahrh. die für eigenen Gebrauch copirten Elemente des Euklid (ms. Turin 68) als »Mischnijjot« bezeichnet (Hebr. Übers. S. 505), was hier Grundlehren bedeutet.
Redaktion: Gabriele Dörflinger
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