Ruperto Carola : Heidelberger Universitätshefte
44. Jahrgang, Heft 85, Juli 1992, S. 176-177
UB-Signatur: LSA HS-AA 017
Am 17.6.1991 vollendete der im Jahre 1979 emeritierte ordentliche Professor für Mathematik, Dr. Hans Maaß, sein 80. Lebensjahr. Der gebürtige Hamburger studierte an der Hansischen Universität ab 1931 Astronomie, Mathematik und Physik. Nach Schwierigkeiten beim Studium der Theoria Motus von C.F. Gauß, wobei er auf Kettenbrüche gestoßen war, und fasziniert von O. Perrons Buch über Kettenbrüche, gab er bald seine ursprüngliche Absicht auf, Astronom zu werden und wandte sich verstärkt der Mathematik zu. Seine wissenschaftliche Förderung fand er zunächst in der Umgebung von E. Artin und E. Hecke, vor allem auch durch dessen damaligen Assistenten, H. Petersson. Ihm verdankt er sein Dissertationsthema aus dem Bereich der analytischen Zahlentheorie. Dieses Grenzgebiet zwischen Zahlen- und Funktionentheorie bestimmte seine wissenschaftliche Arbeit auch weiterhin.
Nach Beendigung seines Studiums mit Promotion und Staatsexamen 1937/38 arbeitete Maaß kurzfristig in der Flugzeugindustrie als Statiker, bis er, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, eine Stelle als wissenschaftlicher Assistent am Mathematischen Institut der Universität Heidelberg antrat. Seit dieser Zeit lebt Maaß in Heidelberg. Er habilitierte sich in kürzester Zeit mit der Arbeit: "Zur Theorie der automorphen Funktionen in n Veränderlichen". Die analytische Theorie der automorphen Formen mehrerer Variabler, wie sie von Carl Ludwig Siegel in den dreißer Jahren begruündet und ausgebaut wurde, blieb stets eines seiner engeren Interessengebiete.
Beeindruckt von der Ideenwelt und der Ausstrahlung der Persönlichkeit von C.L. Siegel verband Maaß mit C.L. Siegel bis zu dessen Tod 1981 eine enge persönliche und wissenschaftliche Beziehung. Heutzutage gilt als das Hauptwerk von Maaß seine bahnbrechende Begründung der Theorie der nichtanalytischen Modulformen und der ihnen zugeordneten Zetafunktionen. Diese Theorie hat einen gewaltigen Aufschwung genommen, der weit über das hinausgeht, was Maaß ursprünglich angestrebt hatte. Diese Theorie ist zu einem der großen aktuellen Forschungsgebiete der gegenwärtigen Mathematik geworden, an dem international zahlreiche namhafte Mathematiker beteiligt sind.
Im Jahr 1948 wurde Maaß zum außerordentlichen Professor ernannt und im Jahr 1958 - nach Ablehnung eines Rufs nach Göttingen - auf ein neugeschaffenes Ordinariat für Mathematik an der Universität Heidelberg berufen.
Neben H. Seifert und F.K. Schmidt hat Maaß wesentlich am Ausbau des Mathematischen Instituts der Universität Heidelberg mitgewirkt. Das Institut ist von damals 3 auf mittlerweile 10 Lehrstühle angewachsen.
In den sechziger Jahren war Maaß zweimal Dekan der naturwissenschaftlich-mathematischen Fakultät, und in seiner zweiten Dekanatszeit als Mitglied der Grundordnungsversammlung an der Neustrukturierung der Universität mitbeteiligt. In dieser politisch sehr schwierigen Zeit zeichnete sich Maaß dadurch aus, daß er sich nicht scheute, Verantwortung zu tragen und auch dem damaligen Zeitgeist zufolge unpopuläre Positionen zu vertreten und durchzusetzen.
Mehrere Auslandaufenthalte von Maaß in Indien (Bombay) und in den USA (Maryland) dienten zur Intensivierung seiner Forschung und der Pflege internationaler Kontakte. Eine besondere Freundschaft verbindet ihn mit dem zur Zeit in Zürich lebenden indischen Mathematiker K. Chandrasekharan. Die bei diesen Gelegenheiten gehaltenen Vorlesungen sind als Monographien erschienen und gelten als Standardwerke.
Von den Auszeichnungen, die Maaß erhalten hat, seien insbesondere erwähnt seine Mitgliedschaft in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und seine Mitgliedschaft in der Indian National Science Acadamy als "foreign fellow".
Die Fakultät für Mathematik, ganz besonders seine Kollegen und Schüler übermitteln ihm zu seinem 80. Geburtstag herzliche Glückwünsche.
Rolf Busam, Eberhard Freitag
Redaktion: Gabriele Dörflinger
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