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Leo Koenigsberger über seinen Schüler Julius König

S. 103-105 aus
Koenigsberger, Leo:
Mein Leben. - Heidelberg, 1919
[Kapitel: Heidelberg 1869-1874]
Ich hebe aus der Zahl dieser hochbegabten und für ihre Wisenschaft begeisterten jungen Männer, welche in kürzester Zeit zu den hervorragendsten Vertretern der Mathematik und Mechanik gezählt wurden, nur die Namen der leider schon früh dahin gegangenen Julius Koenig, Enno Jürgens, Ludwig Boltzmann, Sophie v. Kowalevsky, und der noch lebenden Alfred Pringsheim, Martin Krause, Otto Rausenberger, M. Réthy, O. Eötvös, G. Lippmann (Paris) u. a. hervor, an denen nun nach 50 Jahren noch meine Erinnerungen haften.

Schon in August 70 erhielt ich von einem meiner scharfsinnigsten Zuhörer J. Koenig, der im Sommer 70 mit der Dissertation „Zur Theorie der Modulargleichungen der elliptischen Funktionen“ in Heidelberg promoviert wurde, die folgende Mitteilung aus Raab:

„Nachdem ich unter Ihrem Einflusse, wie ich es nie vergessen werden, mich nach und nach völlig der Mathematik zugewendet habe, werde ich, durch meine Geburt als Ungar begünstigt, in der Lage sein, auch eine spätere Zeit schon ins Auge fassen und mich dem Minister Eötvös vorstellen zu dürfen. .... Ich fahre fort, mich mit den zahlentheoretischen und algebraischen Anwendungen der Modulargleichungen zu beschäftigen, insbesondere scheint durch die Reihenentwicklung der Wurzeln eine zusammenhängende und allgemeine Theorie der Modulargleichungen möglich zu werden. .....“
und 1872, als er sich bereits in Pest habilitiert hatte, schreibt er:
„ es war der Wunsch nach den für mich so bedeutungsvollen 2 Jahren in Heidelberg diese Betrachtungen zu einer Arbeit von etwas größeren Dimensionen zu verwerthen. Und grade diese, die so ganz die Frucht des letzten bei Ihnen gehörten Collegs über Functionentheorie ist, schien mir dazu die geeigenste. Der Gegenstand und die Methode sind, wie ich glaube, ziemlich fruchtbar. Ich würde mich unendlich freuen, wenn ich so glücklich wäre, in einigen Zeilen ein Urtheil von Ihnen zu erhalten, um so mehr, da ich dasselbe dann noch in der Fortführung der bezüglichen Arbeit benutzen könnte. .... ich habe mich insbesondere auch mit der s. g. Theorie n-facher Mannigfaltigkeiten beschäftigt und glaube diese Arbeiten bald zu einem Abschluß zu bringen, der auch für eine Erweiterung der Functionentheorie nicht ohne Interesse ist.“
Abhandlungen und größere Werke von ihm, auf die ich hier nicht näher eingehen kann, da sie dem Gegenstande seiner Heidelberger Studien ferner lagen, folgten dann in rascher Reihenfolge. Meine Korrespondenz mit ihm setzte sich bis in meine Wiener Zeit hinein fort, doch habe ich ihn im Laufe meines Lebens nur noch zweimal wiedergesehen; während der Zeit meiner Tätigkeit in Wien brachte er mir die Einladung meiner ungarischen Schüler zu einem Feste, das mir in Pest gegeben werden sollte, der ich aber zu folgen verhindert war, und das letztemal sprach ich ihn auf dem Mathematikerkongreß in Heidelberg. Er hat in seinen letzten Lebensjahren als Ministerialrat im ungarischen Unterrichtsministerium in dankenswerter Weise für den Ausbau der mathematischen und physikalischen Studien in Ungarn gewirkt.


Redaktion:   Gabriele Dörflinger

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