Druck der Astronomia Nova von Johannes Kepler
Dyroff, Hans-Dieter: Gotthard Vögelin : Verleger, Drucker,
Buchhändler. - 1962
Mainz, Univ., Diss., 1962
Sp. 1209 - 1211
Auf dem Gebiet der Astronomie verlegte Gotthard Vögelin zwei
Schriften des Jakob Christmann: eine neue Mondtheorie (1611: Nr. 247)
und den »Nodus Gordicus« mit Betrachtungen über einige
Sternenbahnen (1612: Nr. 274).
Eine weitere Veröffentlichung, die in diesem Rahmen zu nennen ist,
übertraf an Bedeutung alle anderen Vögelinischen Verlagswerke.
Es war die »Astronomia nova« Keplers (1609: Nr. 216), mit
der nach dessen eigenen Worten die »Himmelstheologie«
durch eine Himmelsphysik abgelöst wurde. Die Verlagsgeschichte
dieses Werkes sei im folgenden kurz aufgezeigt:
Bereits am 1. Oktober 1602 sprach Kepler von der Herausgabe eines
Buches über die Theorie des Mars. Die Forschungsergebnisse, die
er darin mitteilen wollte, sollten den Schlüssel zur Berechnung
anderer Planetenbahnen darstellen. Seine Freunde und die
Fachgenossen warteten deshalb ungeduldig auf das Erscheinen dieses
Werkes. Aber Kepler hatte von den 70 geplanten Kapiteln bis zum Jahr
1605 erst 52 geschrieben. Ernsthaft gefährdet wurde die
Veröffentlichung durch die Zustimmungsverweigerung der Erben
des Astronomen Tycho Brahe, dessen Forschungsergebnisse Kepler in
seiner Arbeit mitverwertet hatte. Kepler befürchtete daraufhin,
sein Werk werde vor seinem Tod nicht gedruckt, weshalb er eine
handschriftliche Vervielfältigung veranlassen wollte.
Schwierig gestaltete sich die Finanzierung der Drucklegung. Kepler
rechnete zunächst damit, daß Kaiser Rudolf II. die
nötigen 800 Gulden bereitstellen werden. Nach dem Wunsch des
Verfassers sollte das Buch bereits auf der Frankfurter Fastenmesse
des Jahres 1606 feilgehalten werden. Doch erst am 29. Dezember 1606
gab Rudolf II. seinem Hofkammerpräsidenten Anweisung, Kepler 400
Gulden auszahlen zu lassen.
Im Juni 1607 waren die Holzschnitte für das Marswerk bereits bei
einer Prager Firma in Arbeit. Kepler sah sich auch schon nach einem
Drucker um, obwohl die Brahe-Erben noch immer seinem Vorhaben nicht
zustimmten. Als Drucker erwählte er schließlich Gotthard
Vögelin mit der Begründung »da ich keinen besser
geeigneten Drucker kenne«. Auch von »fachkundiger Seite«
war ihm zu dieser Entscheidung geraten worden.
Im Laufe des Jahres 1607 schickte er einen Teil der 400 Gulden an
Vögelin. Die Holzstöcke ließ Kepler im August 1607 in
Frankfurt am Main Vögelin oder dessen Beauftragten übergeben.
Ein Probeabdruck der Figuren ging im September von Prag nach Leipzig
ab, wo sich Vögelin offenbar gerade aufhielt. Kepler forderte
Vögelin zugleich auf, ihm nach Fertigstellung des Satzes einen
Korrekturabzug nach Prag zu senden. Im November 1607 hielt sich
Kepler in Heidelberg auf. Wohl dürften familiäre
Angelegenheiten im Vordergrund gestanden haben (er verheiratete bald
darauf seine Stieftochter mit dem Sohn des verstorbenen pfälzischen
Kanzlers Ehem), aber sicher führte er auch Besprechungen mit
Vögelin, wie das Erscheinen des Marswerkes zu beschleunigen sei.
Die Mittel, die Kepler Vögelin zur Verfügung gestellt hatte,
reichten verständlicherweise nicht aus. Nach den
ursprünglichen Schätzungen waren ja 800 Gulden erforderlich,
Vögelin hingegen hatte bei weitem nicht 400 erhalten. Kepler
wandte sich deshalb erneut an den Kaiser und bat am 25. August 1608
um einen abermaligen Beitrag zum Druck des Werkes und um Geld für
eine Reise nach Frankfurt, die der Beförderung des
Druckverlaufs dienen sollte. Er klagte, daß Vögelin seit
geraumer Zeit aus Heidelberg abwesend sei und in Frankfurt
»anderen geschöfften abwarte«, so daß die
Fertigstellung seines Buches verzögert würde. Vögelin
prozessierte zu dieser Zeit mit zäher Ausdauer gegen die
ehemaligen Vormünder seiner Ehefrau. Dabei ging es um Gelder, die
dem Marswerk zugute kommen sollten. Vögelin bemühte sich also
auch nach Kräften um die Vollendung dieses Druckes. Kepler erhielt
im Frühjahr 1609 endlich die erbetenen Gelder; er reiste daraufhin
zur Frankfurter Fastenmesse und zu Vögelin nach Heidelberg, wo er
feststellen mußte, daß die Vollendung seines Werkes
»sich noch einen Tag acht verweilen werden«. Bis
spätestens zur Herbstmesse 1609 dürfte also die
»Astronomia nova« im Handel gewesen sein. Einen Teil der
kleinen Auflage war ein Porträt Kaiser Rudolfs II. vor dem
Titelblatt beigebunden. Nur wenigen Exemplaren druckte Vögelin
sein Folio-Signet (C) bei. Die Angabe des Druckers und des Druckorts
fehlt allgemein. Aufschluß über diese Tatsachen gibt A. G.
Kästner, der einen handschriftlichen Eintrag in einem Exemplar
fand, dessen Entstehung er im 17. Jahrhundert ansetzte. Dort stand
zu lesen, daß es dem Drucker überlassen sein sollte, ob er
sein Signet am Ende des Werkes beidrucken und ob er seinen Namen und
Ort auf dem Titel anführen wolle.
Den Vertrieb der Exemplare untersagte der Kaiser, sie sollten nach
seinem Willen alle unentgeltlich an die Mathematiker des Reichs
verteilt werden. Kepler fühlte sich an diese Weisung aber nicht
gebunden, da ihm der Kaiser noch einige Jahresgehälter schuldig
war. So verkaufte er alle Exemplare, »ohne Ausnahme«, an
Gotthard Vögelin. Nicht einmal für sich selbst behielt er
eines zurück, denn »um drei Gulden kann ich hier in Prag ein
Exemplar kaufen«.
Redaktion:
Gabriele Dörflinger
Zur Inhaltsübersicht
Historia Mathematica Heidelbergensis
Homo Heidelbergensis