Eine Absage an England im September 1914

Eine Absage an England. - Heidelberg, 8.9.1914
In: Heidelberger Tageblatt, Dienstag 8. September 1914, S. 5
UB-Signatur: 86 RA 21::57
* [Eine Absage an England]   Nachfolgende Erklärung wird zur allgemeinen Kenntnis gebracht: ,,Unter einem nichtigen Vorwande, der am wenigsten vor der eigenen Geschichte standhält und der durch zahlreiche Dokumente in seinem wahren Wesen klargestellt wird, hat England uns den Krieg erklärt. Aus schnödem Neide auf Deutschland wirtschaftliche Erfolge hat das uns bluts- und stammverwandte England seit Jahren die Völker gegen uns aufgewiegelt und sich besonders mit Rußland und Frankreich verbündet, um unsere Weltmacht zu vernichten und unsere Kultur zu erschüttern. Nur im Vertrauen auf Englands Mitwirkung und Hilfe konnten Rußland, Frankreich, Belgien und Japan uns den Fehdehandschuh hinwerfen. England vor allem trifft die moralische Verantwortung für den Völkerbrand, der furchtbares Unheil für Millionen von Menschen zur Folge hat und unerhörte Opfer an Gut und Blut fordert. Der brutale nationale Egoismus Englands hat ihm eine untilgbare Schuld aufgeladen. Wir sind uns wohl bewußt, daß hochbedeutende englische Gelehrte, mit denen die deutsche Wissenschaft in fruchtbarer Arbeit jahrelang verbunden war, gegen den frevelhaft begonnenen Krieg gesinnt sind und sich gegen ihn ausgesprochen haben. Gleichwohl verzichten in deutschem Nationalgefühl diejenigen von uns, welchen Auszeichnungen von englischen Universitäten, Akademien und gelehrten Gesellschaften erwiesen worden sind, hierdurch auf diese Ehrungen und die damit verbundenen Rechte.

Emil v. Behring (Marburg a.d.L.), August Bier (Berlin), Moritz Cantor (Heidelberg), Vincenz Czerny (Heidelberg), Alfred v. Domaszewski (Heidelberg), Paul Ehrlich (Frankfurt a.M.), Wilhelm Erb (Heidelberg), Rudolf Eucken (Jena), Wilhelm Alexander Freund (Berlin), Max Fürbringer (Heidelberg), Ernst Haeckel (Jena), Engelbert Humperdinck (Berlin), Joseph Kohler (Berlin), Leo Koenigsberger (Heidelberg), Willy Kükenthal (Breslau), Paul Laband (Straßburg i.E.), Philipp Lenard (Heidelberg), Max Liebermann (Berlin), Franz v. Liszt (Berlin), Hermann Oppenheim (Berlin), Wilhelm Rein (Jena), Jakob Riesser (Berlin), Fritz Schaper (Berlin), Otto v. Schierning (Großes Hauptquartier), Gustav Schwalbe (Straßburg i.E.), Rudolf Sturm (Breslau), Adolf Wagner (Berlin), August Weismann (Freiburg i.Br.), Anton v. Werner (Berlin), Wilhelm Wundt (Leipzig), Rudolf Kobert (Rostock).''

Weitere Unterschriften sind zu richten an Prof. J. Schwalbe, Charlottenburg 4.

Original-Zeitungsausschnitt


Anmerkung:
Moritz Cantor war 1905 von der Royal Society in Edinburgh zum Ehrenmitglied ernannt worden. (Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung. 1905, S. 207)


Redaktion:   Gabriele Dörflinger

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