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Biograph. Lexikon hervorragender Ärzte des 19. Jhd. |
Becker, Otto, 3. Mai 1828 in Domhof bei Ratzeburg geboren, vollendete seine Stadien in Wien als Schüler von ARLT und wurde 1859 promoviert. Seit 1. Oktober 1868 als Professor ordinariuss für Augenheilkunde in Heidelberg wirkend, publizierte B. neben seinen beiden Monographien: „Zur Anatomie der gesunden und kranken Linse“ (Wiesbaden 1883) und „Pathologie und Therapie der Linse“ (in GRAEFE-SÄMISCH's Handbuch 1876) noch zahlreiche Journalartikel. B., der 7. Februar 1890 starb, gehört zu den hervorragenden Ophthalmologen der V. GRAEFE'schen Aera. Er begründete in Heidelberg 1887 das „GRAEFE-Museum“, veranstaltete eine deutsche Ausgabe von DONDERS' berühmtem Werk „Die Anomalien der Accomodation und Refraktion des Auges“ (1866) und hat im einzelnen die Physiologie und Pathologie seines Spezialfachs durch die Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen nicht unwesentlich bereichert. Hierfür kommen ausser den genannten Schriften noch in Betracht seine Veröffentlichungen „Über die sichtbaren Erscheinungen der Blutbewegungen in der menschlichen Netzhaut, über Thränenkanalstrukturen, über angeborene völlige Farbenblindheit, über die Gefässe der menschlichen macula lutea u.s.w.“ Auch gab B. zwei ophthalmo-pathologische Atlanten im Verein mit HERTZMANN, SATTLER u.a. heraus. Er erwarb sich durch die erweiterte Ausgabe von ARLT's autobiograph. Mitteilungen, sowie die Ordnung des wissenschaftlichen Nachlasses von HEINRICH MÜLLER (+ 1864) ein nicht zu unterschätzendes Verdienst. Die bedeutendsten Werke B.'s bleiben jedenfalls die oben erwähnten Monographien über die Anatomie und Pathologie der Linse.
Bettelheim, Karl, 28. Septbr. ,1840 geb., studierte in Wien unter HYRTL, BRÜCKE, ROKITANSKY, SKODA, speziell OPPOLZER. 1866 promoviert, wirkte B. seit 1868 bis 70 als Assistent des letzteren, seit 1872 als Dozent für interne Medizin; von 1870 bis 78 war er Redakteur der „Mediz.-chirurg. Rundschau“. Später erhielt er auf BILLROTH's Vermittlung eine Berufung zum Primararzt am Rudolfiner-Hospital. B. starb 27. Juli 1895 Er bearbeitete mit Vorliebe die Pathologie des Herzens und der Gefässe Von grosser Wichtigkeit sind seine experimentellen Untersuchungen über Mitral-Insufficienz und Herzmechanik nach Kompression der art. coronaria. Unter seinen Publikationen sind weiter hervorzuheben: „Über bewegliche Körperchen im Blute“ (Wien. med. Pr. 1868) - „Über einen Fall von Phosphorvergiftung“ (Daselbst 1868) - „Ein Fall von Echinococcus cerebri“ (Vtljhrschr. f. Psychiatr.) - „Stenose eines Astes der Pulmonalarterie“ (Wien. m. Pr. 1869) - „Die Salzsäure-Medication bei Magenkrankheiten (Das. 1874) - „Bemerkungen zur Diagnose des Magencarcinoms“ (Das. 1877) - „Die sichtbare Pulsation der Arteria brachialis, ein Beitrag zur Symptomatologie einiger Erkrankungen der Cirkulationsorgane“ (D. Arch. f. klin. Med. 1878) - „Eine neue Bandwurmkur“ (Das.) - „Die Anwendung des Mercurius vivus bei Darmstenosen“ (Das. 1882) - „Beitrag zur Lehre von der Pneumonia biliosa“ (Daselbst 1883). Ausserdem übersetzte B.: R. LEPINE's „Pneumonia lobaris“ (aus dem Französischen, Wien 1883), ferner GOWERS' Handbuch der Erkrankungen des Rückenmarks (aus dem Englischen) und beschrieb „Die Entstehung des zweiten Tones in der Carotis“ (Ztschr. f. klin. Med. VI.).
Billroth, Christiall Albert Theodor,
der geniale Chirurg, als Neffe
des Physikus zu Stettin, Wilhelm Frierich B.
(der sich wesentliche Verdienste
während der Cholerazeit erwarb), auf
Eugen 26. April 1829 geboren, besuchte
1848 bis 1852 die Universitäten zu
Greifswald, Göttingen (hier besonders von
dem alten
BAUM für die
Chirurgie angeregt) und Berlin und wurde auf letzterer
1852 Dr. med. mit der Dissertation „De
natura et causa pulmonum affectionis quae
nervo utroque vago dissecto exoritur“
Nach einer wissenschaftlichen Reise, die
sich nach Wien und Paris erstreckte, war
er 1853 bis 1860 Assistent in B. V.
LANGENBECK's Klinik zu Berlin, habilitierte
sich bei der dortigen Universität 1856 als
Privatdozent, wurde 1860 als Professor
ord. und Direktor der chirurgischen
Klinik nach Zürich berufen und blieb in
dieser Stellung bis 1867, seit welcher Zeit
er in gleicher Eigenschaft an der Wiener
Universität wirkte. Mehrfache, 1862 und
1864 an ihn ergangene Berufungen nach
Rostock und Heidelberg, sowie diejenige
als Nachfolger V.
LANGENBECK's nach Berlin
(1882) lehnte er ab. 1870 nahm er freiwillig Anteil an dem
deutsch-französischen
Kriege und war namentlich in den Lazaretten von
Weissenburg und Mannheim
thätig. Auf B.'s energisches Betreiben
wurden das „Rudolfinerhaus“, eine Lehranstalt für
weltliche Krankenpflegerinnen
in Wien, sowie das Haus der K. K. Gesellschaft
der Ärzte ins Leben gerufen;
dagegen gelang es ihm trotz vielfacher dahingehender
Bemühungen nicht, den Bau
einer neuen chirurgischen
Klinik durchzusetzen.
Bis zum Frühjahr 1887
völlig gesund und leistungsfähig , von ausserordentlicher
körperlicher und geistiger
Rührigkeit und bewundernswerter Vielseitigkeit erkrankte er
j etzt zum ersten Male
an einer schweren
Lungen-Entzündung
mit so bedeutender
Herzschwäche, dass damals schon sein Ableben befürchtet wurde.
Doch genas er und konnte
noch 1889 seinen 60. Geburtstag, sowie 1892
sein 25jähriges Wiener Professorenjubiläum
unter zahlreichen, von allen Seiten dargebrachten
Ovationen begehen. Indessen
nahm die seit der Erkrankung zurückgebliebene Herzschwäche
stetig zu, sodass
B. vielfach seine Berufsthätigkeit unterbrechen musste.
Am 6. Februar 1894 trat
Der Tod dieses weltberühmten Chirurgen
in Abbazia ein, der von der ganzen Welt
als ein schwerer Verlust tief betrauert
wurde. Am 9. Februar wurde B. in Wien
„unter fürstlichen Ehren“ bestattet. Am
16. Februar veranstaltete die K. K. Gesellschaft der Ärzte in Wien
eine Trauerfeier zu seineu Ehren, wobei Albert die
Gedenkrede hielt; am 7. November 1897
wurde im Arkadenhofe der Wiener Universität sein
Denkmal enthüllt. B. wird
mit Recht als ein Stern erster Grösse
als ein Chirurg von universeller Bedeutung
gefeiert. Was ihm seine wissenschaftliche
resp. geschichtliche Bedeutung giebt ist
in erster Linie die Betonung von der Notwendigkeit der streng
anatomisch-mikroskopischen Richtung und die Pflege der
pathologisch-anatomischen Forschung, die
er auch als die einzig rationelle Basis für
den Fortschritt und das Gedeihen der
praktischen Chirurgie ansah. Unter seinen
Schriften finden wir namentlich aus seiner
Erstlingszeit eine grosse Reihe darauf
bezüglicher Veröffentlichungen, unter denen
als die bedeutendsten die Untersuchungen
über Wundkrankheiten gelten
müssen, die ihren dauernden
Wert wegen der darin betonten und bethätigten
Prinzipien behalten werden, trotzdem sie in
ihren Ergebnissen z. T.
als überholt gelten
müssen. Seinen Hauptruhm verdankt B. dem
Ausbau der Eingeweidechirurgie, die er
dank den Fortschritten der Anti- und
Asepsis um die erste
vollständige Kehlkopfexstirpation (1874)
und die erstmalige
glückliche Pylorusresektion (1881) (bei einer
43 jährigen an Pyloruscarcinom leidenden Kranken) bereichert
hat. Über die erstgenannte Operation
hat sein damaliger Assistent
GUSSENBAUER in V.
LANGENBECK's A. XVII.
1874, über die letztgenannte B. selbst in
der Wiener klin. Wochenschr. 1891 und
WÖLFLER an verschiedenen Stellen berichtet.
Grosse Popularität erlangte er
durch seine oft aufgelegten und von unzähligen
Schülergenerationen benutzten,
ausserordentlich anregenden und geradezu
klassisch geschriebenen, weltbekannten, in
fast alle neueren Sprachen übersetzten
Vorlesungen über allgem. chir. Pathol.
und Therapie, die auch heute noch in der
erweiterten Gestalt, die ihnen B.'s Schüler
V.
WINIWARTER gegeben hat, ein über alle
Massen wertvolles Buch sind und bleiben
werden. Was B. als Mensch bedeutete,
davon legen Zeugnis ab seine von
GEORG
FISCHER, Hannover, jetzt schon in 4. Aufl.
herausgegebenen, geradezu bezaubernden
Briefe; sie verraten die universelle Bildung,
die edlen Herzens- und Charaktereigenschaften;
die grenzenlose Begeisterung für
die Kunst, die dichterischen und musikalischen Anlagen, mit einem Wort
die Universalität und Genialität B.'s, der mit
seiner Persönlichkeit alle gefangen nahm,
welche das Glück hatten, mit ihm in
nähere persönliche Beziehungen zu treten.
Seine Verdienste um die Wiener
Hochschule, um die Hebung des
medizinisch-chirurgischen Unterrichts, um die
Erweiterung der ärztlichen Institutionen
daselbst, um die Ausbildung zahlreicher
Schüler zu klinischen Lehrern und Chirurgen von Weltruf,
um die Kriegschirurgie,
um die Krankenpflege und viele andere
Zweige der neuzeitlichen Medizin können
an dieser Stelle leider nicht weiter gewürdigt werden.
Anstatt dessen genüge
der Hinweis auf den Nekrolog von J.
V.
MIKULICZ in B. k. W. 1894 No. 8 und die
übrigen in der gesamten Weltlitteratur
erschienenen Gedenkschriften auf B., deren
Verzeichnis der hauptsächlichsten sich bei
GURLT in
VIRCHOW's A., CXXXIX p.555 findet.
B.'s Schriften sind ausführlich im älteren
Lexikon (I p. 460 bis 461) verzeichnet,
auf das wir hiermit verweisen müssen.
Du Bois-Reymond, Emil,
berühmter Physiologe, ist geb. in Berlin 7. November 1818. Sein Vater
stammte aus Neuchâtel, woselbst er in seiner Jugend Uhrmacher war,
übersiedelte dann nach Berlin und wurde dort Geheimer Regierungsrat
und Vorstand des Bureaus für die Neuenburger Angelegenheiten. Seine
Mutter stammte von einer der unter
LUDWIG XIV. aus Frankreich
vertriebenen Hugenotten-Familien, und der berühmte Zeichner und
Kupferstecher
DANIEL CHODOWJECKI
war mit ihr verwandt. DU B.-R.
besuchte erst die Volksschule und dann das Collège Francais in Berlin:
als er 11 Jahre alt geworden war, und seine Eltern wieder in die Schweiz
übersiedelten, wurde er in
Neuchâtel Schüler des dortigen Collège.
Später wieder in Berlin, kam er mit 18 Jahren auf die dortige Universität
und war in die philosophische Fakultät eingeschrieben.
Die Behauptung, er habe
Theologie studiert, ist insofern nicht richtig, als er nie in
diese Fakultät
eingeschrieben war. Wohl aber hörte er bei dem Theologen
NEANDER
und schrieb dessen Vorlesungen mit. In dieser Zeit betrat er einmal fast
zufällig
MITSCHERLICH's Vorlesung. Er fühlte sich durch dieselbe so
angeregt und zur Naturwissenschaft hingezogen, dass er fortan fleissig
Chemie, Physik, Mathematik und im Sommer 1838 in Bonn auch
Geologie studierte. Der Einfluss
EDUARD HALLMANN's entschied ihn
dann für die Physiologie, und er kam erst als Schüler dann als
Assistent zu
JOHANNES MÜLLER.
Dieser wies ihn auf elektro-physiologische
Untersuchungen hin, deren erste Resultate er bereits 1842 publizierte.
Damals erschienen von ihm: „Über den sogenannten
Froschstrom und die elektromotorischen
Fische“ (Pogg. Ann. Bd. 58.) und die
Doktor-Dissertation: „Quae apud veteres de piscibus electricis exstant
argumenta“. Nun folgt eine Reihe von Jahren, während welcher
DU B.-R.
mit dem Aufgebote seiner ganzen Kraft und Begabung an der Lösung der
grossen Aufgabe arbeitete, die er sich gestellt hatte. Das Resultat
dieser
langjährigen unentwegten Arbeit war die Begründung einer ganz neuen
Wissenschaft, der Nerven- und Muskelphysik. 1848 erschien der erste
Band,
1849 die erste, 1860 die zweite Abteilung des zweiten Bandes der
„Untersuchungen
über tierische Elektrizität“. In diesem meisterhaft geschriebenen Werke
ist eine völlig neue Methodik gegeben und eine geradezu
unerschöpfliche Fülle neuer
Thatsachen, endlich eine Theorie der in das Gebiet fallenden
Erscheinungen - kurz eine ganze, neue Wissenschaft. Die geschichtliche
Einleitung wird auch der
Laie mit dem grössten Genusse lesen.
1850 reiste DU B.-R. nach Paris,
1855 und 1866 nach London und verschaffte hierdurch der neuen
Wissenschaft
Anerkennung in Frankreich und England.
1851 wurde er Mitglied der Berliner
Akademie der Wissenschaften, deren beständiger Sekretär er seit 1867
war.
1858 wurde er an Stelle seines verstorbenen Lehrers
JOHANNES MÜLLER zum
ord. Professor der Physiologie an
der Berliner Universität ernannt, welche
Stelle er bis zu seinem 26. Dezember
1896 erfolgten Tode bekleidete. Am 11.
Februar 1893 konnte er noch in voller geistiger und körperlicher Frische
sein 50jähr. Doktorjubiläum begehen, bei welcher Gelegenheit ihm von
seinen zahlreichen Verehrern grössere Ovationen bereitet wurden.
DU B.-R. gehört zu den anerkannten Führern und Meistern der
Physiologie der Neuzeit. Aus seiner
Schule ist ein grosser Teil von Forschern hervorgegangen, die
gegenwärtig z. T. selbst Lehrstühle an deutschen Universitäten
einnehmen. Um den Unterricht in der Physiologie hat sich
DU B.-R. ein
grosses Verdienst erworben, wie er denn
überhaupt eine Zierde der Berliner Fakultät war. Dem unter seiner Leitung
stehenden physiologischen Institute hat er in Berlin einen
Palast erbaut, welcher die schönste und vollkommenste unter allen, zur
Zeit noch existierenden physiologischen Arbeitsstätten ist. Nach seinem
Hauptwerke erschien noch eine sehr grosse Zahl von Abhandlungen,
welche sich fast durchgängig auf Gegenstände der Elektrophysiologie
beziehen und in neuester Zeit als „Gesammelte Abhandlungen“ in Form
eines zweibändigen Werkes reproduziert wurden. Die wissenschaftlichen
Ergebnisse einer Reise, welche sein Assistent
SACHS zur Erforschung gewisser Eigenschaften der elektrischen Fische
nach dem Inneren von Südamerika unternommen hatte, bearbeitete
DU B.-R.,
als
SACHS kurze Zeit nach seiner Rückkehr aus Amerika sein junges,
hoffnungsvolles Leben bei einer Gletschererbesteigung eingebüsst hatte,
und veröffentlichte sie in einem starken Bande als: „Untersuchungen am
Zitteraal (Gymnotusus electricus)“ (Leipzig 1881). - Teils in seiner
Stellung
als ständiger Sekretär der Berliner Akademie der Wissenschaften,
teils bei verschiedenen akademischen Anlässen hat
DU B.-R. seine
vielseitige und tiefe Gelehrsamkeit und philosophische Denkreife in einer
Reihe von Reden an
den Tag gelegt, welche zugleich als Muster deutschen Stiles
gelten können. Die Titel einiger dieser Reden seien hier
angeführt: „Voltaire in seiner Beziehung zur
Naturwissenschaft“ (1863) - „Über Universitätseinrichtungen“
(1870) - „Über den deutschen Krieg“ (1870) - „Leibnizsche
Gedanken in der neueren Naturwissenschaft (1871) - „Über
eine Akademie der deutschen Sprache“ (1874) - „Darwin
versus Galliani“ (1876) - „Der physiologische Unterricht sonst
und jetzt“ (1878) - „Naturgeschichte und Naturwissenschaft“
(1878) - „Über die Grenzen des Naturerkennens“ (1882) -
„Göthe und kein Ende“ (1883). - Sie erschienen gesammelt in
2 Bänden, Leipzig 1886 bis 87. In den Jahren 1859 bis 77 gab
er, gemeinschaftlich mit
REICHERT, das bis dahin von
JOHANNES MÜLLER redigierte Archiv für Anatomie und
Physiologie heraus. Seit 1877 redigierte er allein das Archiv
für Physiologie, welches mit dem ebenfalls selbständigen
Archiv für Anatomie die unmittelbare Fortsetzung des früheren
Archives darstellt. Die nach seinem Tode erschienenen
Nekrologe sind bei
GURLT in
VIRCHOW's Archiv Bd. 148 p.
204 zu finden. - Zwei Söhne von
DU B.-R. sind gleichfalls
Mediziner in Berlin. Der älteste, Claude, geb. 1856, studierte
von 1876 bis 81 in Berlin, Strassburg und Leipzig, Dr. med.
1881, widmete sich der Ophthalmologie und habilitierte sich
1891.
Schriften: „Über die Zahl der Empfindungskreise in der
Netzhautgrube“ -
„Über
Schielmessung“ - „Über Seheinheit und kleinsten Sehwinkel“ - „Über das
Photographieren des Auges bei Magnesiumlicht“
Der jüngere, René, geb. 1863, studierte seit 1885 in Berlin, Dr. med.
1889 („Gestreifte Darmmuskulatur der Schleie“), war hierauf Assistent
von
RAOUL PICTET und
wurde 1895 Assistent bei der experimentellen
Abteilung des Berliner physiologischen Instituts und ist zugleich
Privatdozent.
Brücke, Ernst Wilhelm Ritter von,
geb. zu Berlin 6. Juni 1819 als Sohn des Porträt- und Historienmalers
JOHANN GOTTFRIED B.
Er studierte seit 1838 an den Universitäten zu
Berlin und Heidelberg Medizin. Im November 1842 wurde er zum Dr. med.
promoviert. Zu jener Zeit mussten nach den Gesetzen, welche an der
Berliner Universität Geltung hatten, mindestens zwei Jahre verstreichen
zwischen der Erlangung der Doktorwürde und der
Habilitierung als Privatdozent, so dass B. erst am Ende des Jahres 1844
Privatdozent an der Berliner Universität wurde, und zwar für Physiologie.
- Inzwischen war
B. schon im Herbst 1843 Assistent an dem unter
JOHANNES MÜLLER's
Leitung stehenden
Museum für vergleichende Anatomie geworden und versah gleichzeitig
de facto, wenn auch nicht amtlich hierzu bestellt, die Dienste eines
Prosektors, da der damalige Prosektor
PETERS sich zwecks einer
wissenschaftlichen Reise auf Urlaub befand. Im Herbst 1846 erhielt B. zu
seiner
Assistentenstelle noch die eines Lehrers für Anatomie an der Berliner
Akademie der bildenden Künste. Im Frühling 1848
wurde er als Professor extraordinarius für. Physiologie an Stelle
BURDACH's nach Königsberg berufen, und im folgenden Jahre als
ordentlicher Professor der Physiologie und höheren (mikroskopischen)
Anatomie an die Wiener Universität, woselbst er seit Beginn des
Sommer-Semesters 1849 , ununterbrochen als Professor der
Physiologie und als Leiter des physiologischen Institutes bis zu seiner
nach dem österr. Universitätsgesetz erforderlichen Altersemeritierung
1890 thätig war. Noch im Jahre 1849 wurde er zum wirklichen Mitgliede
der neu gegründeten Wiener Akademie der Wissenschaften ernannt
und später noch vielfach ausgezeichnet; so unter anderem durch
Verleihung der österreichischen Hofratswürde, durch Ernennung zum
lebenslänglichen Mitgliede des österreichischen Herrenhauses
(1879),durch die Rektorswürde, ferner, nebst vielen fremden Orden
durch Verleihung des österreichischen Franz-Joseph- und später des
Leopold-Ordens, welch' letzterer seiner und seiner Familie
Erhebung in den
Ritterstand mit sich brachte, durch Verleihung des preussischen
Ordens pour le mérite u.s.w., durch Mitgliedschaft der
Berliner, der Münchener und mehrerer anderer Akademien, durch
Ehrendoktorate u.s.w. B. hat nicht,wie die meisten neueren
Physiologen, ein spezielles Kapitel der Physiologie ausschliesslich oder
mit besonderer Vorliebe bearbeitet, sondern auf allen Gebieten
geforscht, in der Morphologie, in der physiologischen Chemie, in der
physikalischen und physiologischen Optik, in der Nerven- und in der
Muskel-Physiologie, in der Physiologie der Sprachorgane, in der des
Blutes und der Verdauung u.s.w. und die Resultate dieser
Forschungen in einigen Büchern und in zahlreichen grösseren und
kleineren Abhandlungen niedergelegt. Von diesen letzteren erschienen
die meisten bis 1849 in
„MÜLLER's Archiv für Anatomie, Physiologie
und wissenschaftliche Medizin“
und von diesem Jahre an in den Denkschriften und Sitzungsberichten der
kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien. Seine mikroskopischen
Arbeiten sind u. a. bahnbrechend gewesen und massgebend geblieben für
unsere Anschauungen über das Wesen der Zellen („Elementar-Organismen“):
seine optischen Arbeiten haben die Grundlage für die
Erfindung des Augenspiegels abgegeben, welchen dann
HELMHOLTZ
konstruierte und haben unsere Kenntnisse von den Verrichtungen des
menschlichen Auges sehr wesentlich bereichert; und seine chemischen
Arbeiten haben nebst vielen anderem auch in das noch so dunkle Gebiet
der Eiweiss-Substanzen wenigstens einige Streiflichter fallen lassen. In
seinem Werke „Grundzuge der Physiologie und Systematik der Sprachlaute
für Linguisten und Taubstummenlehrer“ (Wien 1856, 2. Auflage 1876) hat
er
eine erschöpfende Analyse der in europäischen und orientalischen
Sprachen vorkommenden Laute in Beziehung auf die Art, wie sie
hervorgebracht werden, gegeben und hat dann in einem anderen Werke
„Neue Methode der phonetischen Transscription“ (Wien 1863) die Idee
praktisch durchgeführt, die Laute der Sprache in der Schrift und im
Druck nicht durch willkürliche, rein konventionelle
Symbole darzustellen, die untereinander, und mit dem, was sie bedeuten
sollen, in gar keinem Zusammenhange stehen, sondern sie vielmehr
durch Zeichen auszudrücken, welche aus Elementen bestehen, deren
jedes eine Beziehung auf eines der Sprechorgane hat, so dass im ganzen
Zeichen, die Stelle der Artikulation, die Art. derselben, der Zustand der
Stimmritze u.s.w. repräsentiert ist, und jeder, der nur die Bedeutung der
Elementarzeichen kennt, eine nach dieser phonetischen Transskription
niedergeschriebene Wortfolge in einer Sprache, die er nie gehört hat,
vollkommen richtig auszusprechen imstande ist - eine Errungenschaft
von grosser
Wichtigkeit für Linguisten und Orthoepisten. Von grösseren Werken hat B. B
ferner veröffentlicht eine „Physiologie der Farben für die Zwecke der
Kunstgewerbe bearbeitet“ (Leipzig 1866) -
„Die physioloqischen Grundlagen
der neuhochdeutschen Verskunst“ (Wien 1871) und
„Bruchstücke aus der
Theorie der bildenden Künste“ (Leipzig
1877 Bd. XXVIII der Internationalen wissenschaftlichen Bibliothek). Im
Jahre 1873 entschloss sich B., durch äussere Umstände dazu gedrängt,
sein regelmässiges Hauptkollegium nachstenographieren zu lassen und es,
mit geringfügigen Veränderungen, in Form eines zweibändigen Lehrbuches
herauszugeben. Dasselbe führt den Titel:
„Vorlesungen über Physiologie“
(2 Bde., Wien 1873 bis 74; seitdem sind neuere Auflagen davon
erschienen, die dritte 1881). Von seinen vielen kleineren Abhandlungen
seien die folgnden genannt, nur um eine Vorstellung von der Vielseitigkeit
B.'s zu geben:
„Anatomische Beschreibung des menschlichen Augapfels“ -
„Untersuchungen
über subjektive Farben“ - „Vergleichende
Bemerkungen über Farben und Farbenwechsel bei den Cephalopoden
und bei den Chamäleonen“ - „Über die Chylusgefässe und die
Resorption des Chylus“ - „Über den
Dichroismus des Blutfarbstoffes“ - „Über die Ursache der Gerinnung
des Blutes“ - „Über das Vorkommen von Zucker im Harn gesunder
Menschen“ - „Über den Verlauf der feinsten Gallengänge“ - „Über das
Verhalten lebender Muskeln gegen Borsäurelösungen“ - „Über den
Bau der roten
Blutkörperchen“ - „Über den Einfluss der
Stromesdauer' auf die elektrische Erregung der Muskeln“ - „Über das
Verhalten entnervter Muskeln gegen discontinuirliche
elektrischesche Ströme“ - „Über asymmetrische
Strahlenbrechung im menschlichen Auge“ -
„Über die Peptontheorien und die Aufsaugung eiweissartiger
Substanzen“ -
„Über die physiologische Bedeutung der theilweisen Zerlegung der Fette
im Dünndarm“ - „Über eine neue Methode, Dextrin und Glyycogen aus
thierischen Flüssigkeiten und Geweben abzuscheiden“ - „Über einige
Consequenzen aus der Young-Helmholtz'schen Theorie“. Nebst
diesen, nur beispielsweise
angeführten Arbeiten, sind noch äusserst zahlreiche Abhandlungen
aus allen Gebieten der Physiologie, der reinen Physik
und Chemie, der Morphologie, ja selbst der Botanik von B. veröffentlicht
worden und ausserdem noch mehrere Schriften nicht
naturwissenschaftlichen, sondern ästhetischen Inhalts. Kurz vor B.'s am 7.
Jan. 1892 an der Influenza erfolgtem Ableben erschien noch die
Monographie: „Schönheit und Fehler der menschlichen Gestalt“.
Czerny, Vincenz v.,
19. Nov. 1842 zu Trautenau (Böhmen) geb., studierte in Wien, wo er
hauptsächlich Assistent
BILLROTH's, vorher aber auch Assistent bei
ARLT und
OPPOLZER war. Am 19. Dezember 1866 erfolgte seine
Promotion, Ende 1871 seine Berufung als Professor der Chirurgie und
Direktor der Klinik in Freiburg, eine Stellung, die er 1877 mit der
gleichnamigen in Heidelberg vertauschte. Einen Ruf nach Wien 1894 als
Nachfolger
BILLROTH's lehnte v. C. ab. - C. schrieb
„Beiträge zur operativen
Chirurgie“ (Stuttgart 1875), sowie über Exstirpation des Kehlkopfes, des
Oesophagus, der Niere des Uterus, Magen- und Darmresektion, Operation
an Kothfisteln, Radikaloperation der Hernien, Gallensteine, Erkrankungen
der Wurmfortsätze etc.
Donders, Frans Cornelis,
geb. 7 27. Mai 1818 zu Tilburg in Noord-Braband, trat im Alter von 17 Jahren
zu Utrecht als Zögling in das grosse Reichs-Hospital für Militärmedizin und
widmete sich an dortiger Universität von 1835 bis 40 dem Studium der
Medizin. Während zweier Jahre, nach beendigtem Studium erst in
Vliessingen, darauf im Haag, als Militärarzt angestellt, promovierte D. an der
Universität Leiden auf Grund einer
„Dissertatio sistens observationes
anatomico-pathologicas de centro nervoso“ und wirkte dann als
„Lector
anatomiae et physiologiae“ an der Utrechter militärärztlichen Reichsschule
bis 1848, dem Zeitpunkte seiner
Berufung zum Professor e. o. an die med.
Fakultät der Utrechter Universität. Angeregt durch die Forschungen von
SCHLEIDEN u.
SCHWANN und unterstützt vom einem Chemiker,
wie MULDER, hatte sich D. zunächst und mikroskopischen und
mikrochemischen das Untersuchungen der tierischen Gewebe
zugewendet und die Ergebnisse derselben (1846) in den
„Holländischen Beiträgen zu den anatomischen und physiologischen
Wissenschaften“, welche er im Vereine mit
VAN DEEN und
MOLESCHOTT herausgab, veröffentlicht. Aber schon vorher noch
hatte D. durch seine 1844 gehaltene und 1845 im Druck erschienene
Rede: „Blik of de stofwisseling als bron der eigen warmte van planten
en dieren“ die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. In dieser Rede wird
die Haut als Wärmeregulator des tierischen Körpers erklärt und es
werden, wie man heutzutage sagen kann, dem Prinzipe von der
Erhaltung der Arbeit entsprechende Anschauungen über die
Vorgänge des Stoff- und Kraftwechsels in den organischen Leibern
entwickelt. - Auch der grosse Ophthalmologe regte sich in D. schon in
diesen ersten Jahren seiner schriftstellerischen Thätigkeit. Es
erschienen die Abhandlungen: „De bewegingen van het menschelyk
oog“ (Holland. Beiträge 1846)
- „Über die Bestimmung des Sitzes der mouches volantes“ (Z. f. phys.
H. 1847) , und die von D. seit 1845 redigierte medizinische Zeitschrift
„Het Nederlandsch Lancet“, von welcher zwölf Bände erschienen
sind, brachte 1848 die Abhandlung: „De anwending van prismatische
brillenglazen tot genezing van scheelzien“.
In demselben Jahre erschienen die Arbeit
„Über den Zusammenhang zwischen dem
Convergiren der Sehaxen und dem Accommodationszustande der
Augen“ und die Untersuchungen über die Regeneration der
Hornhaut. Mit seiner 1852 erfolgten Ernennung zum ordentlichen
Professor wandte sich
D. vornehmlich der Ophthalmologie zu und übte bis 1862
augenärztliche Praxis aus Seit 1855 Mitredakteur des v.
GRAEFE'schen „Archivs für Ophthalmologie“, eröffnete D. 1858
das aus freiwilligen Beiträgen hervorgegangene „Nederlandsch
Gasthuis voor ooglijders“ zu Utrecht, in welchem er
augenklinischen, auch von Ausländern, namentlich von Deutschen
stark besuchten Unterricht erteilte, dabei war er trotz zeitraubender
praktischer
Thätigkeit, rastlos schriftstellerisch thätig und veröffentlichte eine
grosse Zahl von
Journalaufsätzen zur vergleichenden Anat.
und Physiologie des Sehorgans, welche das ältere Biogr. Lexikon
verzeichnet. (B.-L. II p. 203). Die wichtigsten darunter sind diejenigen
Arbeiten, die sich auf
Refraktion, Accommodation, Brillenbestimmung etc. beziehen. 1863 erhielt
D. als
Nachfolger des 1862 verst.
SCHRÖDER VAN DER KOLK die ordentliche
Professur der
Physiologie, und es wurde 1866 das ganz nach D. Angaben eingerichtete
neue physiologische Laboratorium in Utrecht eröffnet, wo er bis 1 Jahr vor
seinem 24. März 1889 erfolgten Ableben in segensreichster Weise ; als
Lehrer und Forscher wirkte. Von den vielen seit 1862 erschienenen Arbeiten
D.'s verdienen Erwähnung: 1863: „Refractionsanomalien, oorzaken van
strabismus“ (Versl. en med. k. Acad.; deutsch:
„Zur Pathogenie des
Schielens“ [Arch. für Ophthalmologie]) und
„Über einen Spannungsmesser
des Auges“ (Ophthalmotonometer; Ib.), sodann aber vor allem 1864:
„The
anomalies of refraction and accommodation“ (edit. by the New-Sydenham
Society; 1866 erschien hiervon die deutsche Übersetzung von
0. BECKER,
eine italienische von
A. QUAGLINO und eine französische von
WECKER in
„Manuel d'ophthalmologie“). Ferner:
„De l'action des mydriatiques et des
myotiques“ (Ann. d'oculist. LIII) -
„Klangfarbe der Vocale“ (Arch. für die
Holländ. Beiträge). 1865:
„Over stem en spraak“ (Arch. voor Natuur en
Geneeskunde). Im selben Jahre (1865) erschien auch
J. J. DE JAAGER's
Dissertation:
„De physiologische tijd bij psychische processen“, eine Arbeit,
welche unter D.s Leitung und wesentlicher Mitarbeiterschaft entstand. Um
die Zeit zwischen Reiz und psychischem Effekt zu bestimmen, erdachte D.
den „Noëmotachographen“ und das „Noëmotachometer“ (Ned. Arch. v. G.
en N. III) und veröffentlichte 1868 in
REICHERT und
DU BOIS-REYMOND's
Archiv die Arbeit: „Die Schnelligkeit psychischer Processe“.
Gegenbaur, Karl,
zu Heidelberg, geb. 21. Aug. 1826 in Würzburg, studierte dort seit 1845,
besonders unter
KÖLLIKER und
VIRCHOW, war von 1850 bis 52
Assistent am Julius-Spital, hielt sich aber, da er sich gänzlich der
Anatomie und vergleichenden Anatomie zu widmen beabsichtigte, 1852
bis 53 an der sizilianischen Küste auf, um sich mit der Organisation der
niederen Seetiere des Mittelmeers bekannt zu machen. 1854 habilitierte
er sich in Würzburg als Dozent für Anatomie und Physiologie, wurde
1855 in Jena Prof. e. o., 1858 Prof. ord. d. Anat. und Direktor der anat.
Anstalt, 1873 in gleicher Eigenschaft nach Heidelberg berufen, wo er
gegenwärtig noch wirkt. Schriften:
„Untersuchungen über Pteropoden
und Heteropoden“ (Leipzig 1855)
- „Untersuchungen der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere“ (1864
bis 72 -Heft 1 bis 3) -
„Grundzüge der vergl Anatomie“ (Leipzig 1870, 2.
Aufl. 1878, auch englisch: London 1878) -
„Lehrbuch der Anatomie des
Menschen“ (Leipzig 1883, 7. Aufl. 1899, 2 Bde) u. v. a. Seit 1875 giebt G.
das „Morpholog. Jahrbuch, Ztschr. f. Anat. u. Entwickelungsgesch.“
heraus.
Helmholtz, Hermann Ludwig Ferdinand v.,
zu Berlin, der weltberühmte geniale Physiolog und Physiker, muss,
obwohl er in den letzten Dezennien .seines Lebens sich ausschliesslich
der Physik widmete, auch hier erwähnt werden, da er vom Studium der
Med. ausging, eine Zeit lang Arzt und lange Jahre Lehrer der Physiologie
war. H., zu Potsdam 31. August 1821 geb., studierte in Berlin seit 1838 als
Eleve des med.-chir. Friedrich Wilhelms-Instituts, wurde nach seiner
Promotion 1842 mit der Diss.:
„De fabrica systematis nervosi
evertebratorum“ Unterchirurg in der Charité, 1843
Militärarzt in Potsdam, kehrte 1848 als Lehrer der Anatomie an der
Kunstakademie und Assistent, am anat. Museum nach Berliin zurück,
wurde aber bereits
1849 als Prof. d. Physiol. und allgem.
Pathol. nach Königsberg berufen und 1855 als Prof. d. Anat. und Physiol.
nach Bonn versetzt, von wo er 1858 als Prof. der Physiol. nach Heidelberg
ging, um 1871 in Berlin eine Professur der Physik zu übernehmen, welche
er, zugleich mit der Direktion des physik. Instituts mit dem Charakter als
Geh. Regierungsrat und 1883 geadelt, bis 1888 innehatte, wo er zum
Präsidenten der physik.-technischen Reichsanstalt in Charlottenburg
ernannt wurde. In dieser Stellung verblieb er bis zu seinem 8. Sept. 1894
an Apoplexie erfolgten Tode. 1891 bei Gelegenheit seiner 70 jähr.
Geburtstagsfeier hatte er den Titel „Exzellenz“ erhalten. H. gehört zu der
Reihe der aus
JOHANNES MÜLLER's
Schule hervorgeg. berühmten
Physiologen und begründete seinen Ruf mit der Schrift: „Über die
Erhaltung der Kraft“ (Berlin 1847), in welcher er zum ersten Male zu
zeigen versuchte, dass alle Vorgänge in der Natur den Grundgesetzen der
Mechanik gehorchen. In den folgenden Jahren war H.'s Thätigkeit
hauptsächlich der Physiol. der Sinne zugewendet. Den unschätzbarsten
Dienst aber leistete er der menschlichen Pathol. und Therapie durch die
Erfindung des die ganze Augenheilkunde revolutionierenden
Augenspiegels, den er in einer besonderen. Schrift:
„Beschreibung eines
Augenspiegels zur Untersuchung der Netzhaut im lebenden Auge“ (Berlin
1851) bekannt machte. Seine weiteren, die höchste Bedeutung in.
Anspruch nehmenden und
auf ihren Gebieten bahnbrechenden Werke sind: „Handbuch der
physiologischen Optik“ (Leipzig 1856 bis 66), in welchem seine
sämtlichen Forschungen über den Gesichtssinn niedergelegt sind,
und „Die Lehre von den Tonempfindungen“ (Braunschweig 1862; 2.
Aufl. 1865), welches seine akustischen Untersuchungen im
Zusammenhange dargestellt enthält. Ausserdem hat er eine grosse
Reihe anderer Arbeiten, z. B. Messungen über die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenreizung, Untersuchungen
über Gegenstände aus der Optik, Akustik, Elektrizitätslehre vielfach
in Zeitschriften, bes. in
MÜLLER's Arch. (1845, 48, 50, 52 u.s.w.),
POGGENDORFF's Annalen (von 1852 an) und
CRELLE's Journ. f.
Math.,
V. GRAEFE's Arch. (1855),
aber auch als kleinere Schriften,
wie: „Über die Wechselwirkung der Naturkräfte u.s.w.“ (Königsberg
1854) - „Über das Sehen des Menschen“ (Leipzig 1855) -
„Populäre
Vorträge“ (2 Hefte, Braunschweig 1865, 71) veröffentlicht. Seine
wissenschaftl. Abhandlungen sind in 2 Bdn. gesammelt (Leipzig
1881 bis 83), seine Vorträge und Reden ebenso in 2 Bdn.
(Braunschweig 1884) erschienen. - Am 6. Juni 1899 wurde in dem
Vorgarten der Berliner Univ. sein Marmorstandbild enthüllt. Die Zahl
der seinem Andenken gewidmeten Schriften, Nekrologe,
Gedächtnisreden ist gross. Ein Verzeichnis dieser Litteratur findet
sich in dem von
E. GURLT für
VIRCHOW's Arch. CXXXIX 1895
verfassten med.-naturwissensch. Nekrolog p. 578, wozu noch zu
erwähnen sind die posthum erschienenen Schriften von E. DU
BOIS-REYMOND (Leipzig 1897),
die Rede von TH. W.
ENGELMANN (Ib. 1894) und die von W.
V. BEZOLD (Ib. 1895). Über
die Beschaffenheit seines Gehirns berichtete
D. HANSEMANN im
Arch. f. Anat. u. Physiol. 1899 Heft 3 u. 4, physiol. Abt. p. 371.
Hyrtl, Joseph,
weltberühmter Anatom, geb. 7. Dezember 1811 zu Eisenstadt studierte in
Wien und zeichnete sich durch seine Fähigkeiten und Kenntnisse in der
Anatomie so aus, dass er bereits 1833 dort als Prosektor angestellt wurde
1837 übernahm er die Professur der Anatomie in Prag, 1845 die erste
Professur der Anatomie in Wien; 1847 wurde er Mitglied der k. Akademie
der Wissenschaffen. 1874 sah er sich veranlasst, infolge zunehmender
Schwäche seiner Augen
zu resignieren und lebte seitdem zurückgezogen, aber noch fortdauernd
wissenschaftl. thätig, in Perchtoldsdorf bei Wien, wo er 1885 unter grosser
Beteiligung seiner, zahlreichen Schüler und Verehrer sein 50jähr. Doktor-
Jubiläum feierte und 17. Juli
1894 starb. H. muss als der berühmteste Anatom seiner Zeit bezeichnet
werden. Als akadem. Lehrer unerreicht, als Schriftsteller von
bewundernswerter Gewandtheit, besass H. die Gabe, die trockensten
Kapitel seiner Wissenschaft in hohen Grade fesselnd in Wort und Schrift
darzustellen. Beweis hierfür ist sein 1846 bis 90 in 20 Aufl. erschienenes,
ungemein populäres
„Lehrbuch der Anatomie“, das nicht bloss für den
Anfänger die beste Einführung in das Fach, sondern selbst gereifteren
Forschem eine Quelle der Belehrung bot. Reich gewürzt mit histor.,
kulturhistor., linguist. Daten, humorist. Mitteilungen wird es auch in späteren
Zeiten seinen Wert behalten. Wie H. ein Meister der Sprache war, so auch
in der anat. Technik und hat auch darüber nicht bloss mehrere lehrreiche
Schriften verfasst, sondern zahlreiche Präparate, darunter auch mikroskop.
Injektionsstücke geliefert, die Weltruf besassen. Im einzelnen hat er seine
Wissenschaft durch eine Reihe von Thatsachen bereichert, die in seinen
Schriften niedergelegt sind. Von diesen können wir an dieser Stelle nur die
folgenden grösseren Monographien, Lehrbücher und linguist. anat. Werke
erwähnen, deren Verzeichnis
dem von WALDEYER im älteren Biogr. Lex. gegebenen Verzeichnis
entnommen ist:
„Die Blutgefässe der menschlichen Nachgeburt in normalen
und abnormen Verhältnissen“ (Wien 1870) -
„Die Corrosionsanatomie und
ihre Ergehnisse“ (Ib. 1873) - „Handbuch der praktischen
Zergliederungskunst“ (Ib. 1860) -
„Lehrbuch der Anatomie des Menschen“
(Ib. 1884, 17. Aufl.) -
„Handbuch der topographischen Anatomie und ihrer
praktisch medicinisch-chirurgischen Anwendungen“ (2 Bde., 7. Aufl., Wien
1882) - „Das Arabische und Hebräische in der Anatomie“ (Ib. 1879) -
„Onomatologia anatomica. Geschichte und Kritik der anatomischen
Sprache der Gegenwart“ (Ib. 1880) -
„Die alten deutschen Kunstworte der
Anatomie“ (Ib. 1884). H. war auch als Mensch von grosser Herzensgüte.
Er gründete ein Waisenhaus in Mödling, dem er sein ganzes Vermögen
hinterliess, ferner, eine Kinderbewahranstalt in Perchtoldsdorf und stiftete
mehrere Stipendien für arme Studierende. Um die Wiener Univ., deren
Zierde er war, hat er sich die grössten Verdienste erworben. Ein grosser
Teil der österr. Anatomen zählte zu seinen Schülern, u. a. war auch der
Jahre lang in Petersburg wirkende Anatom
WENZEL GRUBER H.'s
Schüler.
Letzte Änderung: Mai 2014 Gabriele Dörflinger
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