Mein Leben / Leo Koenigsberger

Johann Jacoby

aus: Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 / Heinrich Best ; Wilhelm Weege. - Düsseldorf, 1969. - S. 188-190
ISBN 3-7700-5193-9

UB Heidelberg: LSA His-OQ 031


Jacoby, Johann, * 1805 (l. Mai) Königsberg (Provinz Preußen), † 1877 (6. März) Königsberg

Sohn des Handelsmanns Gerson J.; mos.; 1823- 28 Studium Philosophie, Rechtswissenschaft und Medizin in Königsberg, Berlin und Heidelberg; 1827 Dr. med. Königsberg; 1828 Studienreise durch Deutschland, Österreich und Polen; ledig.

1828-77 praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer in Königsberg, seit 1829 auch Arzt am jüdischen Krankenhaus in Königsberg; 1831 Korrespondent des »Hesperus. Enzyklopädische Zeitschrift für gebildete Leser« (Stuttgart/Tübingen) sowie Mitarbeiter der »Cholera-Zeitung« (Königsberg) und der »Zeitschrift für Staatsarzneikunde« (Erlangen); 1831 medizinischer Beauftragter des ostpreußischen Regierungspräsidenten in Augustówo (Polen) und Warschau zur Erkundung der dort grassierenden Cholera; seit 1842 Mitgründer und Mitarbeiter der »Königsberger (Hartungschen) Zeitung« (Königlich Preußische Staats-, Kriegs- und Friedenszeitung); 1843 Mitarbeiter des Volkstaschenbuchs »Vorwärts« (Leipzig) von R. Blum und F. Steger; 1844 Mitarbeiter der »Deutsch-Französischen Jahrbücher« (Paris) von K. Marx und A. Rüge; 1847 Reise nach Berlin, Sachsen, Süddeutschland, in die Schweiz sowie nach Köln und Brüssel; Aug.-Nov. 1848 auch Mitglied des Redaktionskomitees der »Reform« (Berlin); Juni-Okt. 1849 in Vernex b. Genf, dann wieder in Königsberg; 1867-71 auch Gründer und Herausgeber der Berliner Tageszeitung »Die Zukunft«; Mitarbeiter zahlreicher Zeitschriften und Zeitungen, u. a. der »Elbinger Zeitung«, der »Elbinger Anzeigen«, der »Preußischen Provinzialblätter« (Königsberg), des »Königsberger Taschenbuchs«, der »Leipziger Allgemeinen Zeitung«, der »Allgemeinen Zeitung des Judentums. Ein unparteiisches Organ für alles jüdische Interesse« (Leipzig) der »Constitutionellen Staatsbürgerzeitung« (Leipzig), der »National-Zeitung« (Berlin), der »Volks-Zeitung« (Berlin), der »Demokratischen Zeitung« (Berlin), des »Volksstaats. Organ der sozialdemokratischen Arbeiterpartei und der Internationalen Gewerksgenossenschaften« (Leipzig) und der Wochenschrift »Die Wage« (Berlin); Verfasser zahlreicher politischer, pädagogischer, medizinischer und wissenschaftlicher Schriften (u. a. »Der freie Mensch, Rück- und Vorschau«, Berlin 1866).

1823-27 Landsmannschaft Littuania in Königsberg; 1838 Kommission zur Regulierung des Synagogengottesdienstes in Königsberg; seit den 1830er Jahren führender Vertreter der oppositionellen Bewegung in Königsberg, u. a. Gründer eines Lesezirkels zur Verbreitung verbotener Literatur in Ostpreußen, 1837-38 Organisator einer Geldsammlung zugunsten der Göttinger Sieben sowie 1840 Gründer und Vorsitzender einer politischen Gesellschaft (Siegel-Club, später Donnerstags-Gesellschaft) in Königsberg; 1841-43 Strafverfahren wegen Hochverrats, Majestätsbeleidigung sowie frechen, unehrerbietigen Tadels und Verspottung der Landesgesetze durch die anonyme Veröffentlichung der vom Bundestag verbotenen Flugschrift »Vier Fragen beantwortet von einem Ostpreußen« (Mannheim 184l), 1842 Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Festungshaft und Entzug der Nationalkokarde durch das Kammergericht in Berlin, 1843 Freispruch in 2. Instanz durch das Obertribunal in Berlin; 1842 Herwegh-Fest in Königsberg (Organisator); 1844 Gustav-Adolph-Verein in Königsberg (Ausschluß wegen seiner jüdischen Konfessionszugehörigkeit); 1844 Säkularfeier der Universität Königsberg (Mitglied des Festkomitees ehemaliger Universitätsgenossen); seit 1844 Bürgergesellschaft in Königsberg (Mitgründer und Vorstandsmitglied; nach polizeilicher Auflösung 1845 Mitorganisator wöchentlich stattfindender demokratischer Volksversammlungen in Königsberg); seit 1845 Genossenschaft zur Reform im Judentum in Berlin; 1845-47 Strafverfahren wegen Majestätsbeleidigung und frechen, unehrerbietigen Tadels der Landesgesetze vor dem Oberlandesgericht in Königsberg aufgrund der an die preußischen Provinziallandtage gerichteten regierungskritischen Denkschriften »Das königliche Wort Friedrich Wilhelms III.« (Paris 1845) und »Preußen im Jahre 1845« (Glarus 1845), 1846 Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Festungshaft, 1847 Freispruch in 2. Instanz; seit 1846 Städtische Ressource in Königsberg (März 1848 Mitverfasser einer Pressefreiheit und ein deutsches Parlament fordernden Adresse der Städtischen Ressource an den preußischen König); seit 1847 Hallgartenkreis; Juni-Nov. 1848 Demokratischer Club in Berlin; Okt. 1848 2. Demokratenkongreß in Berlin; Okt. 1848 Gegenparlament in Berlin (Mitorganisator); Okt.-Dez. 1849 Hochverratsverfahren vor dem Appellationgericht in Königsberg wegen Teilnahme am Rumpfparlament, eineinhalb Monate Untersuchungshaft in Königsberg, Dez. 1849 Freispruch; in den 1850er Jahren unter Polizeiaufsicht; seit (1859) Kant-Gesellschaft in Königsberg; seit 1859 Deutscher Nationalverein (Ausschußmitglied; 1863 Mitglied des schleswig-holsteinischen Ausschusses); seit 1859 Schiller-Stiftung in Königsberg (Mitgründer); 1859-77 Handwerkerverein in Königsberg (Mitgründer und Vorstandsmitglied); 1861-68 Deutsche Fortschrittspartei (1868 Verfasser des Parteiprogramms); 1863-77 Stadtverordnetenversammlung in Königsberg; 1863-65 Strafverfahren wegen einer 1863 vor seinen Wählern gehaltenen (und später veröffentlichten) regierungskritischen Rede (u. a. Aufforderung zur Steuerverweigerung), 1864 Verurteilung zu sechs Monaten Gefängnis durch das Kriminalgericht in Berlin wegen Ehrfurchtsverletzung gegenüber dem König, Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Steuergesetze und öffentlicher Beleidigung der Mitglieder des Staatsministeriums, 1865 Urteilsbestätigung durch das Kammergericht in Berlin, 1865-66 sechs Monate Haft im Königsberger Stadtgefängnis; 1865 Verurteilung zu 50 Talern Geldstrafe wegen verleumderischer Beleidigung Bismarcks; 1865 Verurteilung zu vierzehn Tagen Gefängnis wegen Beamten- und Behördenbeleidigung (durch das von ihm verfaßte Heinrich-Simon-Gedenkbuch); 1867-77 Ligue internationale de la Paix et de la Liberté (1867-68 und 1873-77 Mitglied des Zentralkomitees); 1870 fünf Wochen Internierung auf der Festung Boyen b. Lötzen wegen öffentlichen Protests gegen die Annexion Elsaß-Lothringens; seit 1871 Demokratischer Verein in Berlin (Mitgründer); 1872-77 Sozialdemokratische Arbeiterpartei.

MdFN
Vorparlament, Fünfzigerausschuß, 24. Mai 1849- 18. Juni 1849 (Rumpfparlament), 4. Provinz Brandenburg (Berlin), -> Deutscher Hof; Vorgänger Friedrich von Raumer.
29. Mai 1849 Ausschuß für die Geschäftsordnung; S.Juni 1849 Fünfzehnerausschuß.

MdR
Jan. 1874-Jan. 1874, 13. Sachsen, -> Sozialdemokratische Arbeiterpartei (Mandat vor Mandatsantritt niedergelegt).

MdL
1848 Preußische Nationalversammlung (Fraktion Mylius, Linke; seit Aug. 1848 Mitglied des Fraktionsvorstands; 2. Nov. 1848 Mitglied einer Parlamentsdeputation beim preußischen König zur Übergabe einer Adresse gegen das neu ernannte Ministerium Brandenburg); 1849 2. Kammer des Preußischen Landtags (Äußerste Linke); 1863-70 Haus der Abgeordneten des Preußischen Landtags (1863-68 Deutsche Fortschrittspartei).

Quellen: BAF III C 12a; ADB, BLDG, DBI, Klötzer, Kosch, Niebour, Rößler-Franz.


Letzte Änderung: 01.08.2005     Gabriele Dörflinger   Kontakt

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