Leo Koenigsbergers Leben — Die Osthoff-Affäre

Leo Koenigsberger berichtet im Kapitel Heidelberg 1884 - seiner Erinnerungen Mein Leben:
Unmittelbar nach meinem Prorektorat mußte ich einen teils durch Mißverständnisse, teils durch Übereilung von seiten eines in seiner Wissenschaft hochangesehenen Kollegen hervorgerufenen Angriff abwehren, der mir am Anfange schwere Stunden bereitet hat. Bei der Besetzung einer Professur in der theologischen Fakultät hatte ich im Engeren Senat den Standpunkt vertreten, den ich stets in meinem akademischen Leben eingenommen, daß sich bei Streitigkeiten innerhalb dieser Fakultät die Universität als solche nicht einmischen sondern die Entscheidung dem Übereinkommen der Regierung und der Fakultät überlassen soll. Diese Meinungsäußerung von meiner Seite wurde von jenem Kollegen, der in politischen und kirchlichen Dingen einen radikal liberalen Standpunkt einnahm, der mir sonst in vieler Beziehung sympatisch war, in reaktionärem Sinne gedeutet, und der Mann, für den sonst nie persönliche, sondern stets nur sachliche Motive maßgebend waren, suchte in einer geschlossenen politischen Parteiversammlung meine Gesinnung in maßloser Weise zu verdächtigen. Als nun seine Äußerungen durch Indiskretion in die Öffentlichkeit kamen, war ich gezwungen, für die mir zuteil gewordene Beleidigung durch eine öffentliche Erklärung Genugtuung zu verlangen. Der durch seine Wahrheitsliebe und Offenheit überall hochgeschätzte Kollege gab nun zu meiner Freude in der Zeitung die Erklärung ab, daß er in den Jahren, in denen er mein Kollege ist, nie eine Veranlassung gefunden, an meiner rein sachlichen Auffassung aller amtlichen Dinge zu zweifeln, daß er in einer ihm selbst jetzt unbegreiflichen Verirrung jene Worte gesprochen, die er hiermit in voller Form zurücknehme, und daß er mich für jenen Vorfall um Entschuldigung bitte. Ich freute mich, einige Jahre später, als der Großherzog bei der Gründung unserer Akademie Windelband und mich aufforderte, ihm je zehn der bedeutendsten Mitglieder für jede Klasse vorzuschlagen, mit Wärme dem Vorschlage Windelbands, jenen Kollegen als eines der ersten Mitglieder zu bezeichnen, beitreten zu können. Leider erlebte er die Ernennung nicht mehr.
Zwar nennt er in der Autobiographie den Namen seines Gegners Hermann Osthoff nicht, aber in seiner Erklärung in der Heidelberger Zeitung, 1900, Nr. 107 vom 7. Mai 1900 sind alle Details ausführlich dargelegt.

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Signatur UB Heidelberg: UiE 679

Die Angelegenheit wird in verschleierter Form auch in dem Hermann Osthoff gewidmeten Artikel der Badischen Biographien, Band 6 (1935), S. 56-64 geschildert

Und neben all diesen wisssenschaftlichen Leistungen brachte Osthoff es fertig, sich jahreland auch noch kräftig in der Parteipolitik zu betätigen.  ...   Dabei war er mit den badischen Verhätnissen durchaus nichtg unzufrieden, sondern er folgte nur seiner allgemeinen Überzeugung, so große Mühe und teilweise auch persönliche Unannehmlichkeiten das ihm auch brachte, und obwohl es ihn von seiner Wissenschaft unnötig — und ohne rechten Gegenwert — abzog. In dem Kampfe übrigens, in den ihn Parteileben und Wissenschaft brachte, führte Osthoff meist eine kräftige, scharfe Waffe, wie er überhaupt mehr Soldat war denn Diplomat; aber trotz aller Hartnäckigkeit und trotz aller Schärfe gelegentlich auch in einem zunächst bösartig klingenden Wortwitz, war er ein offener Gegener, der anständige Ziele verfolgte, und der rühmlicherweise wissenschaftliche oder politische Streitigkeiten niemals in den Hörsaal trug.


Letzte Änderung: Mai 2014     Gabriele Dörflinger   Kontakt

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