Anna von Helmholtz:
Brief über die Einweihung des Helmholtz-Denkmals

7. Juni 1899.

Es war ein so harmonischer Tag, der durch nichts getrübt ward.

Um neun Uhr früh schickte Seine Majestät der Kaiser Seine sehr schöne kleine Büste aus Goldbronze auf grünem Marmorsockel mit einem Allerhöchsten Handschreiben für mich.

Um zehn Uhr kamen die Wannseer in drei Wagen vorgefahren: Wanda mit Kindern, Ellen und Arnold mit Kindern, Richard, Fritz und ich — und so fuhren wir hin. Empfangen mit allen Ehren, wurden wir unter Vortritt zu unserer Tribüne geleitet neben dem Kaiserpavillon. Es war herrliches Wetter, der schöne Platz vor der Universität mit Fahnen geschmückt, Bläser auf dem Balkon, festliche Tribünen, ein rotes schönes Zelt für Ihre Majestät, Studenten in großer Gala.

Zuerst kamen die Gäste, dann in feierlichem Zuge die Professoren im Talar, stellten sich links und rechts in langen Reihen auf — die Minister, die Generalität, die Vertreter der Kaiserin Friedrich, etliche gütige Menschen, die mir die Hand küßten und neben mir Fritz, Ellen und die süßen weiß gekleideten Kinder. Unsere Herren standen unten. Hinter mir die lieben Freundinnen Delbrück, Harrach, Piloty, Leyden und so weiter.

Um elf Uhr kam die Kaiserin mit dem Kronprinzen und dem Vertreter des Kaisers, dem Prinzen Joachim Heinrich, Sohn des Prinzen Albrecht. Ein Choral wurde geblasen, dann trat Delbrück vor, gab Rechenschaft, dann sprach Waldeyer als Rektor — sprach wundervoll, so frei im Geist und so schön in der Form, gar nicht byzantinisch und doch so sehr ehrfurchtsvoll.

Schöner, in sich abgeschlossener, vornehmer und malerischer im Frühlingsschein, so farbenprächtig und beweglich, so ganz intern und doch so universal konnte gar nichts wieder sein — und so feierlich! Dann fiel die Hülle mit dem Hoch auf den Kaiser — und Hermanns teure Gestalt kam sehr herrlich, so weit über Erwarten groß und schön uns Allen wieder nahe. Dann trugen die fünf Kinder mit Ellen einen großen Rosenkranz an das Denkmal. Wie die kleinen lieben Leute ihn trugen und so ehrfürchtig über den roten Teppich schritten, das werde ich nie vergessen.

Dann wurden wir in das Zelt gerufen. Die Kaiserin war so gütig wie sie denn überhaupt wunderbar weiblich, anmutig und stets wohltuend ist. Sie sah sehr schön aus. Der Kronprinz fast so groß als sie, sieht aus wie Kaiser Friedrich, blond, schlank, blauäugig, fröhlich und frisch, ein rechter echter Jüngling von siebzehn Jahren, den Alles interessiert und freut. Dann ging die Kaiserin um das Monument herum, wir folgten. Der Kronprinz führte mich, wie einst sein Großvater als Kronprinz die Tochter Wilhelm von Humboldts geführt hatte, Alles Tradition. Dann nochmaliger Handkuß und viele Vorstellungen, dann Abfahrt: das war es.

In der Rauchstraße frühstückten wir in corpore, eine Menge Kinder auch Eichard und Wachsmuth, der ganz als Sohn auf zwei Tage in die alten Bande zurückgekehrt ist. Was Alles dazu gehört, war da. Nachher fuhren wir auf den Friedhof und zu Hause wurde der Tisch gedeckt für zweiundzwanzig Menschen: dunkelroter Riesenmohn als Tafelschmuck hob sich in schlanken Gläsern, dazwischen englischer Mohn in drei Farben und in ungezählten kleinen Gläsern — feines Grün mit großen Mohnköpfen über den Tisch gelegt — das war meine Arbeit, sonst tat ich nichts.

Ich hatte die Herren des Denkmal-Comites, den Rektor, Prorektor, Dekan, Leyden, Virchow und Dilthey von der Universität, den Präsidenten und den Direktor der Reichsanstalt, den Bildhauer Herter, Herrn von Richthofen, Wilhelm Siemens, Ellen, Wanda und mich als Damen des Hauses. Ich schwang eine Rede, sagte den Herren herzlichsten Dank für Alles, dem Comité, der Universität, dem Künstler! und so stießen wir an auf Delbrück, auf den Rektor, auf Herter — und meine Aufgabe war gelöst! Sehr ernst und feierlich.

Nun kann ich in Frieden abfahren und zu meinen Vätern versammelt werden.


S. 184-186 aus
Helmholtz, Anna von: Anna von Helmholtz : ein Lebensbild in Briefen / hrsg. von Ellen von Siemens-Helmholtz. - Berlin
Band 2 (1929)
Signatur UB Heidelberg: F 6834-3-44::2


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