Lexikon bedeutender Mathematiker — Julius Plücker

Quelle: Lexikon bedeutender Mathematiker / hrsg. von Siegfried Gottwald ... — Thun [u.a.], 1990. — S. 371-372


Plücker, Julius: geb. 16.6. 1801 Elberfeld, gest. 22. 5. 1868 Bonn; Mathematiker, Physiker. — P., Sohn eines Kaufmanns, studierte in Heidelberg, Bonn, Berlin und Paris. 1823 promovierte er in Marburg in absentia. Bereits 1828 wurde er a. o. Prof. in Bonn, 1832 an der Univ. Berlin und gleichzeitig am Berliner Friedrich-Wilhelm-Gymnasium. 1833 übernahm er eine o. Professur für Mathematik in Halle, wechselte aber 1835 an die Univ. Bonn und übernahm 1836 zusätzlich auch die Professur für Physik in Bonn.

P.s mathematische Arbeiten gehören vollständig dem Gebiete der analytischen Geometrie an. Sie bilden neben den Untersuchungen von A. F. MÖBIUS und H. GRASSMANN einen Meilenstein in der Überwindung der lange Zeit in Deutschland vorherrschenden synthetischen Geometrie. P. entwickelte die Methode der abgekürzten Bezeichnung (1827/28) und begründete das Dualitätsprinzip durch sein Prinzip des Wechsels des Raumelements (1830/31). Zur formalen Beherrschung dieses Prinzips führte er 1829 homogene Koordinaten ein. Weitere wichtige Beiträge P.s zur Geometrie waren die Einführung der Linienkoordinaten (1829), die Verallgemeinerung des Koordinatenbegriffs (1834/35) und die Untersuchung der Eigenschaften algebraischer Kurven (ab 1828). Wichtigstes Resultat waren hier die „Formeln für die Singularitäten der Curven“ (1834). Von P. stammen auch die korrekte Fassung des Prinzips der Konstantenabzählung (1839) und eine Verallgemeinerung des Begriffs des Brennpunktes (1833). Die Grundidee einer Liniengeometrie besaß P. etwa 1846. Er nahm diese fundamentale Idee aber erst 1863 wieder auf und setzte die Liniengeometrie vorwiegend zum Studium der Komplexe 2. Ordnung ein.

Ab etwa 1847 wandte sich P. auch der physikalischen Forschung zu. Er befaßte sich erst u. a. mit dem magnetischen Verhalten von Kristallen, Gasen und Flüssigkeiten. Ab 1857 beschäftigte er sich mit den elektrischen Entladungen in verdünnten Gasen, entwarf die Geisslersche Röhre (1860/61) und fand schon 1858, daß jedes Gas ein charakteristisches Spektrum besitzt. 1859 stellte er fest, daß gewisse Linien des Wasserstoffspektrums mit einzelnen Linien des Sonnenspektrums übereinstimmen. Zusammen mit W. HITTORF (1824-1914) entdeckte er 1862-1865 die mehrfachen Spektren. Durch diese Arbeiten gehörte P. zu den Mitbegründern der Spektralanalyse.

Poggendorff, Dictionary of Scientific Biography — Hans-Joachim Ilgauds

Lit.: Gesammelte wissenschaftliche Abhandlungen. 2 Bde., Leipzig 1895/96; ADB


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