Noether, Max: geb. 24. 9. 1844 Mannheim, gest. 13. 12. 1921 Erlangen. — M. erarbeitete sich das Univ.-Pensum in Mathematik zu Hause, war ein Jahr an der Mannheimer Sternwarte und promovierte nach 3 Jahren Studium 1868 in Heidelberg; 1870 habilitierte er sich dort, wurde 1875 a. o. Prof in Erlangen, wo er bis 1919 wirkte, ab 1888 als o. Prof.
N. strebte nach vollständiger arithmetischer Begründung der algebraisch-geometrischen Schlußweisen. Er arbeitete die Theorie der algebraischen Raumkurven aus und zählte alle Kurvenfamilien bis zur 17. Ordnung auf. Zusammen mit A. VON BRILL veröffentlichte er 1894 den umfangreichen Bericht über „Die Entwicklung der Theorie der algebraischen Funktionen in älterer und neuerer Zeit“. Er nahm die Theorie der algebraischen Flächen in Angriff und schrieb grundlegende Arbeiten über die gegenüber umkehrbar eindeutigen Transformationen invarianten Gebilde, die zur Auffindung des Kurvengeschlechts neben dem bereits von A. CLEBSCH entdeckten Flächengeschlecht führen. Den Satz von CLEBSCH über die Invarianz des (geometrischen) Flächengeschlechts bei birationalen Transformationen dehnte er auf Flächen mit vielfachen Kurven und Punkten und auf mehrdimensionale Gebilde in höheren Räumen aus. Er bestimmt das Geschlecht der Flächen, die sich auf eine Doppelebene mit gegebener Übergangskurve abbilden lassen, gab Bedingungen für deren Abbildbarkeit auf eine einfache Ebene an und übertrug die ebene quadratische Cremona-Transformation auf den Raum. Er untersucht die Bedingungen, unter denen an den gemeinsamen Verschwindungsstellen der Polynome f und φ in zwei Variablen für ein Polynom ψ die Gleichung ψ = Aφ + Bf mit Polynomen A und B besteht (Fundamentalsatz der Theorie der algebraischen Funktionen). In einer gemeinsamen Arbeit mit BRILL bewies er den Brill-Noetherschen Restsatz und faßte den Beweis des Riemann-Rochschen Satzes und des Satzes von der Erhaltung des Geschlechts bei birationalen Abbildungen streng. In einer gemeinsamen Arbeit mit P. GORDAN konnte N. beweisen, daß der Hessesche Satz, nach dem aus dem Verschwinden der Hesseschen Determinante einer Form in n Variablen folgt, daß die sich linear in eine von wenigen Variablen überführen läßt, nur für n = 2, 3 und 4 richtig ist. Durch Anwendung quadratischer Cremona-Transformationen erreicht er die Auflösung der Singularitäten ebener Kurven. Als Vorarbeit zum Endziel der vollständigen Theorie der abelschen Integrale und ihrer Umkehrfunktionen befaßte er sich mit Eliminationstheorie und betrachtete Theta-Funktionen in beliebig vielen Argumenten, wobei erstmalig die Theta-Charakteristiken je nach der Substitutionsgruppe, die ihre Beziehungen invariant läßt, in 2 Arten eingeteilt werden.
Poggendorff, Dictionary of Scientific Biography — Günther Eisenreich
Lit.: Jahresber. DMV 32 (1923), 211-233
Abschrift durch Gabriele Dörflinger Kontakt
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