Lexikon bedeutender Mathematiker — Johannes Kepler

Quelle: Lexikon bedeutender Mathematiker / hrsg. von Siegfried Gottwald ... — Thun [u.a.], 1990. — S. 245-246


Kepler, Johannes: geb. 27. 12. 1571 Weil der Stadt (Württemberg), gest. 15. 11. 1630 Regensburg; Astronom, Mathematiker. — K., Sohn abenteuerlustiger und unsteter Eltern, besuchte die Klosterschule Adelberg, dann die höhere Klosterschule in Maulbronn. 1588 legte er die Bakkalaureatsprüfung in Tübingen ab und begann 1589, an dieser Univ. Theologie zu studieren. Daneben hörte er Mathematik und Astronomie bei M. MAESTLIN. Mit diesem blieb K. auch in den Jahren nach seinen Studien freundschaftlich verbunden. 1594 wurde er Landschaftsmathematiker in Graz. Dort lehrte K. u. a. Mathematik an der Stiftsschule, gab den Landeskalender mit Prognosen heraus und befaßte sich mit Astronomie. Ergebnis dieser Studien war das „Weltgeheimnis“. Die Grundidee dieses Werkes war, daß zwischen die 6 damals bekannten Planeten die 5 Platonischen Körper so gesetzt werden können, daß jeder dieser Körper von einer ein- und einer umbeschriebenen Planetensphäre berührt wird. Die Sonne steht im Mittelpunkt des gesamten Systems. Das „Weltgeheimnis“ führte 1597 zur ersten Einladung von T. BRAHE an K. In Graz verfaßte K. auch Schriften über das „Abendmahl“, über den „Magnet“, über die „Schiefe der Ekliptik“.

1600 wurde er BRAHES Gehilfe in Prag und nach dessen Tod (1601) selbst Kaiserlicher Mathematiker und beauftragt, BRAHES Nachlaß zu edieren. Durch Streitigkeiten mit Nachkommen und Verwandten BRAHES ist es jedoch nie zu einer solchen Edition durch K. gekommen.

1604 erschien K.s „Astronomiae pars Optica“, eine Darlegung der Prinzipien der Optik von für die Entwicklung dieser Disziplin grundlegender Bedeutung. Es folgten Arbeiten über Kometen und Sonnenflecken. Bereits 1609 erschien dann K.s Hauptwerk „Astronomia nova“, eines der bedeutendsten Werke der Wissenschaftsgeschichte. Mit diesem Werk wurde eine, auch methodisch, neue Epoche der Astronomie eingeleitet. K. hatte zur Abfassung des Werkes nach langen Auseinandersetzungen BRAHES Beobachtungen verwenden können. Auf induktivem Wege ermittelte K. daraus das 1. und 2. Keplersche Gesetz und die Keplersche Gleichung. Damit überwand er die bislang übliche einfache kinematische Beschreibung der Vorgänge am Himmel durch eine dynamische Erklärung mit Hilfe induktiver, auch mathematischer, Methoden. Das Werk begründete die Himmelsmechanik.

An mathematischen Hilfsmitteln verwendete K. ausführlich die antike Kegelschnittlehre, angelehnt an ARCHIMEDES die Exhaustionsmethode und führte die Brennpunktsgleichung der Ellipse ein. In seiner nächsten großen Schrift, der „Dioptrice“ (1611) entwickelte K. die Theorie des astronomischen Fernrohrs (Keplersches Fernrohr). 1612 ging K. als Landschaftsmathematiker nach Linz, unterrichtete wieder Mathematik an der Landschaftsschule und kartographierte Oberösterreich. Er verteidigte die gregorianische Kalenderreform (u. a. 1613) gegen protestantische Theologen. 1615 erschien in Linz K.s „Nova stereometria dolinorum vinianorum“, in der die Bestimmung des Rauminhalts von Fässern durch Rotation von Kegelschnitten, bzw. Teilen davon, gelöst wurde. K. verwandte dabei systematisch Rechnungen mit unendlich kleinen Größen, Vorstufen der Guldinschen Regeln und Integralsubstitutionen. Dadurch konnte K. die Volumina einer Reihe von Körpern erstmals näherungsweise berechnen.

Auf der Basis von umfangreichen Ephemeridenrechnungen verfaßte K. den „Epitome astronomiae copernicanae ...“ (1618-1621), der von der katholischen Kirche sofort auf ihren Index gesetzt wurde. Für die langwierigen Rechnungen benutzte K. erstmals Logarithmen. Gleichzeitig arbeitete er an den „Harmonices mundi“ (1619) und an den „Rudolphinischen Tafeln“ (1624, gedruckt 1626/27). In den „Harmonices mundi“ findet sich das 3. Keplersche Gesetz (entdeckt schon 1618). Im Zusammenhang mit diesen großen Werken, die außerordentlich viel Rechenarbeit erforderten, stellte K. seine eigenen Logarithmentafeln auf (gedruckt 1624). 1628 trat er in den Dienst des A. VON WALLENSTEIN (1583-1634) in Sagan (Zagan, Polen), berechnete Ephemeriden und erstellte Horoskope. Zur Eintreibung von Gehaltsforderungen reiste K. 1630 zum Reichstag nach Regensburg. Dort starb er an einer Erkältungskrankheit und an Überanstrengung.

Poggendorff, Dictionary of Scientific Biography — Hans-Joachim Ilgauds

Lit: J. Hoppe: Johannes Kepler. Leipzig 1975; M. Caspar: Bibliographia Kepleriana. München 1936 (ergänzt durch M. List, München 1968); Gesammelte Werke. München seit 1937


Abschrift durch Gabriele Dörflinger  Kontakt

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