Das Physikalische Institut in Heidelberg von 1820 bis 1855


Ehemaliges Dominikanerkloster
Randzeichnung des Heidelberger Stadtplans von 1830 von R. Hengstenberg
In der Heidelberger Vorstadt wurde am Ende des 15. Jahrhunderts ein Dominikanerkloster errichtet. Das Kloster brannte im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1693 aus und wurde 1707 wiedererrichtet. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erlosch der Konvent; der Gebäudekomplex wurde 1804 vom Großherzogtum Baden erworden und der Universität zur Verfügung gestellt. Dort wurde zunächst eine Klinik und die Anatomie untergebracht; 1818 — nach dem Auszug der Klinik — wurde das ehemalige Kloster allen Naturwissenschaften und der Anatomie zugewiesen. In dem folgenden Vierteljahrhundert teilten sich Anatomie, Botanik, Chemie, Physik und Zoologie den Bau. Auf dem Westteil wurde für die Astronomie eine einfache Sternwarte errichtet. Die Anatomie konnte mit der Zoologie 1849 in das im Klostergarten neu erbaute Anatomiegebäude umziehen, die Chemie erhielt 1854/55 den Bunsenbau am Ebertplatz, aber die Physik bekam erst 1863 nach Niederlegung des alten Klosters einen Neubau an gleicher Stelle.

Im Kloster hatte der ordentliche Professor der Physik Georg W. Muncke (1773-1847) eine Dienstwohnung. Als Muncke 1847 starb und Philipp Jolly (1809-1884) in seine Position nachrückte, erhielt er auch die Dienstwohnung. Dort konnte er dann das Labor für Studenten einrichten, das er seit 1846 gefordert hatte. Die Ausstattung finanzierte er im Wesentlichen aus eigenen Mitteln.

Im Sommersemester 1850 mietete sich Philipp Jolly in der nahe gelegenen Unteren Neckarstr. 3 (damals B 128) ein; das Institut musste in das gegenüber gelegene „Haus zum Riesen“ umziehen, da im alten Kloster preußische Truppen untergebracht wurden.


Haus zum Riesen

Eberhard Friedrich Freiherr von Venningen (1643-1710) tauschte 1706 sein Grundstück in der Kettengasse, das der Kurfürst den nach Heidelberg gerufenen Jesuiten zur Verfügung stellen wollte, gegen das gegenüber dem Dominikanerkloster gelegene in der Vorstadt und ließ dort von Johann Adam Breunig (um 1660 - 1727) sein neues Palais errichten. Der plastische Schmuck des Baues — insbesondere die monumentale Figur des Hausherrn — wurde von dem aus Ungarn stammenden Bildhauer Heinrich Charrasky (1656-1720) geschaffen.

Im „Riesen“ wurden Hörsäle, naturwissenschaftliche Sammlungen und Arbeitsräume der Professoren sowie das Studentenlabor Jollys untergebracht.

Das „Haus zum Riesen“ wurde bis zum Neubau der naturwissenschaftlichen Institute 1863 von der Physik benutzt. Die Entdeckung der Spektralanalyse 1860 durch Robert W. Bunsen und Gustav R. Kirchhoff ist das bedeutendste Datum der Wissenschaftsgeschichte, das sich mit diesem Bau verbindet.


Freiherr von Venningen

Literatur:

Quincke, Georg:
Geschichte des physikalischen Instituts der Universität Heidelberg : Akademische Rede. - Heidelberg, 1885. - 39 S.
UB Heidelberg: Mays Brosch. 26,34
Lossen, Richard:
Zur Geschichte des Dominikanerklosters Heidelberg 1476-1853
In: Freiburger Diözesan-Archiv. - 3. Folge, 1. Band (1950), S. 167-185
UB Heidelberg: B 5135::3.F: 1.1950
Albrecht, Bettina:
Die ehemaligen Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institutsgebäude der Universität Heidelberg. - Heidelberg, 1985
UB Heidelberg: 86 P 543
Breger, Herbert:
Streifzug durch die Geschichte der Mathematik und Physik an der Universität Heidelberg
In: Auch eine Geschichte der Universität Heidelberg / hrsg. von Karin Buselmeier ... - Mannheim (1985), S. 27-50
UB Heidelberg: 86 A 1180


Redaktion:   Gabriele Dörflinger

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