Heidelberg:
Klingenteichstr. 4

erbaut 1846
Neubau 1905
Architekt: Rudolf Tillessen, Peter Graf
Nachdem das Vereinslokal des bereits 1810 gegründeten Corps Suevia im „Eisenhardt'schen Keller“ sich zunehmend als zu klein erweist, ersteht in nur zweijähriger Bauzeit an gleicher Stelle und nach den Plänen des Mannheimer Architekten Rudolf Tilessen das neue Corpshaus.
Zur Talseite zeigt sich eine reich dekorierte Schaufassade in Rotsandstein mit geschwungenem Giebel und großen Saalfenstern, beiderseits flankiert von großen Korbbogenloggien. Neobarocke Gestaltungselemente überlagern sich mit Jugendstildetails. In der Diele hängt ein Ölporträt des ehemaligen Corpsbruders Hanns Martin Schleyer, des 1977 entführten und ermordeten Arbeitgeberpräsidenten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg richteten die amerikanischen Militärbehörden in dem Corpshaus für einige Jahre eine Synagoge ein (als Ersatz für die 1938 in der Großen Mantelgasse 1 zerstörte).

Quelle: Müller, Bernd: Architekturführer Heidelberg : Bauten um 1000 - 2000. - Mannheim (1998), S. 150 (Nr. 151)

Haus-Nr.  Hausbesitzer

                    Suevia
Leopoldstraße
A        1846-1854  Bierbrauer Ernst (1850 Bierkeller)
     56  1856-1860  Ernst, Bierkeller
         1863-1876  Eisenhardt's Bierkeller
         1878       * Eisenhardt Aug., Privatm.
        (1878)           Mieter: Boxheimer Heinr., Zapfwirt
         1879-1886  Eisenhardt August, Privatmann
         1887-1889  Suevia-Korpskneipe
Klingenteichstraße
     4   1890-1904  Suevia-Korpskneipe
         1905-      Verein d. Alten Herren d. Suevia
Die Zeichnung zeigt den Zustand von 1886.

Quelle: Academische Monatshefte. - 1886

Corps Suevia

Gegründet: 27 .3. 1810
Farben: schwarz-gelb-weiss (von unten gelesen)
Wahlspruch: Virtute constanti fulget salus! [Dem in der Tugend Beständigen leuchtet das Heil!]
Adresse: Klingenteichstr. 4

Schlagende und farbentragende Verbindung

Das Corps ist die älteste Heidelberger Verbindung.


Zirkel der Suevia

Zu den Mitgliedern zählten:
  • Friedrich II. (1857–1928), Großherzog von Baden
  • Max von Baden (1867–1929), letzter Reichskanzler des Kaiserreichs
  • Maximilian Joseph von Chelius (1794–1876), Augenarzt und Chirurg
  • Hanns-Martin Schleyer (1915–1977), von der RAF ermordeter deutscher Arbeitgeberpräsident
  • Eckart Würzner (* 1961), Heidelberger Oberbürgermeister

Wappen der Suevia

Bereits im 17. Jahrhundert entstanden an den Universitäten Landsmannschaften, d.h. private Studentengruppen gleicher Herkunft, die der Geselligkeit und der Unterstützung in Notlagen dienten. Die Mitgliedschaft endete mit dem Studienabschluss. Ihre Nachfolger sind die ab 1815 gegründeten national ausgerichteten Burschenschaften und die unpolitischen Verbindungen der Corps.

Im Gegensatz zu den alten Landsmannschaften währt die Mitgliedschaft dieser neuen Verbindungen lebenslang (Lebensbund); nach dem Studium bleibt das Mitglied als Alter Herr dem Corps verbunden. Die Alten Herren sind das finanzielle Rückgrat der Verbindung, da sie im Gegensazu zu den Studenten über Einkommen und Einfluss verfügen. Nur durch sie ist der Bau und Betrieb eines Verbindungshauses möglich.

 

Bis in die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts trafen sich die Corpsbrüder im Lokal „Reichskrone“ in der Dreikönigstraße. Dann residierten sie im Eisenhardt'schen Keller in der Klingenteichstr. 4 (früher Leopoldstraße). Das Gebäude wurde 1846 für den Bierbrauer Ernst errichtet und war ab 1850 Bierkeller. 1863 wurde es von August Eisenhardt erworben, der zunächst selbst den Bierkeller betrieb und ab 1878 das Lokal an den Zapfwirt Heinrich Boxheimer verpachtete.

1887 erwarb die Verbindung das Haus.

1905 entstand an gleicher Stelle der Neubau durch den Mannheimer Architekten Rudolf Tillessen (1857–1926). Dieser sah zunächst keine Zimmer für die aktiven Mitglieder vor und diente nur für die Veranstaltungen des Corps.

Der dreistöckige repräsentative Bau ist reich dekoriert. Im Giebel sieht man eine mit dem Wahlspruch „Suevia sei's Panier“ umgebene Ritterfigur.

Im Obergeschoss befindet sich hinter hohen Glasmalereifenstern der Festsaal und darüber die Hausmeisterwohnung — mit dem schönsten Blick auf Heidelberg. Der ursprünglich in der obersten Etage untergebrachte Fechtraum wurde in die „Kneipe“ verlegt und der gewonnene Raum zu Zimmern für 8 aktive Mitglieder umgestaltet.


Die Suevia-Kneipe (1905) [Die Aufnahme ist identisch mit der in den Academischen Monatsheften 22 (1905/06) auf S. 93 publizierten.]
Quelle: Corps Suevia zu Heidelberg 1810–1935 : zum 125. Stiftungsfest Juni 1935. — Duisburg, 1935

Die Suevia-Kneipe heute

Ihre Blütezeit hatte die Suevia von 1855 bis 1865. In diesem Zeitabschnitt rekrutierte sie jährlich 11–12 neue Mitglieder (Vgl. Festschrift 1935). Rechnet man, dass sie ca. sechs Semester in Heidelberg studierten, so ergibt sich f r diese 35 Studenten ein Anteil von 5% der durchschnittlich 687 Heidelberger Studenten dieses Jahrzehnts.

Die Studentenverbindungen hatten nach dem 1. Weltkrieg bereits an Bedeutung verloren. So konnte die Suevia in den 10 Jahren nach dem Krieg jährlich nur noch 8,4 neue Mitglieder gewinnen.

Im Nationalsozialismus wurden die Studentenverbindungen wie alle anderen nicht-nationalsozialistischen Organisationen zurückgedrängt. Sie sollten durch national-sozialistische Kameradschaften ersetzt werden. Als erste Maßnahme wurde der Ariergrundsatz auch auf die Verbindungen angewendet. Als einzige Verbindung in Heidelberg wehrte sich die Vandalia, was zu ihrer Suspendierung führte. Die Suevia passte sich an, und bat ihre jüdischen Mitglieder um die „Rückgabe des Bandes“. Dennoch musste die Suevia im November 1935 die Verbindungsaktivitäten einstellen und blieb bis 1945 suspendiert. Das Haus wurde von der Kameradschaft „Axel Schaffeld“ genutzt.

1945 wurde das Haus zunächst von den Amerikanern beschlagnahmt und diente einige Jahre als Synagoge. 1950 wurde es der Verbindung zurückgegeben.

Nach dem 2. Weltkrieg konnte die Verbindung ihre alte Bedeutuing nicht wiedererlangen. In der Gegenwart umfassen die Verbindungen insgesamt nur 1-2 Prozent der Studierenden. Ein Problem stellt auch die steil ansteigende Zahl der Studierenden dar. Im Sommer 2018 waren knapp 29 000 Srudierende in Heidelberg eingeschrieben. F r einen Anteil von 5% müsste die Suevia 1450 Mitglieder haben. Last but not least steht auch die Intention eines Freundesbundes einer großen Mitgliederzahl im Wege; man kann — abgesehen von Facebook — nicht mit fast 1500 Personen befreundet sein.

Wie bereits erwähnt, bietet das Schwabenhaus jetzt Wohnraum für acht aktive Studenten. Wegen des zunehmenden Zeitdrucks der Studenten ist die Zeit der Aktivitas auf drei Semester beschränkt; danach sind die Corpsmitglieder bis zum Studienende inaktiv, um anschließend Alte Herren zu werden. In der aktiven Zeit können sie im Haus wohnen und essen; eine Stunde täglich ist dem Fechten gewidmet.

Literatur

Academische Monatshefte / Organ der deutschen Corpsstudenten.
Illustrierte Heidelberger Jubiläums-Nummer. - 1886
  UB Heidelberg: F 2134-6 C

Corps Suevia zu Heidelberg 1810-1935 : zum 125. Stiftungsfeste Juni 1935. - Duisburg 1935
  UB Heidelberg: F 2155-3-10

Dörflinger, Gabriele: Studentenverbindungen in Heidelberg : ein Stadtrundgang. - Heidelberg, 2017
HeiDOK

Weiland Bursch zu Heidelberg : e. Festschrift d. Heidelberger Korporationen zur 600-Jahrfeier d. Ruperto Carola / bearb. von Detlev Aurand u. Gerhart Berger. - Heidelberg, 1986.
S.  98 - 101   Suevia (Korporation)
S. 266 - 267   Suevia (Korporationshaus)
  UB Heidelberg: 87 A 5192


Redaktion:   Gabriele Dörflinger   Oktober 2024

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